Februar 2021
- Februar 2021
Arbeitsrecht
Corona-Pandemie: Maskenpflicht: Anordnungen seitens der Arbeitgeber ist Folge zu leisten
Wenn der Arbeitgeber Anordnungen trifft, in denen es um das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes geht, kann es zu unterschiedlichen Streitigkeiten kommen. Mit zwei Fällen haben sich jetzt die Arbeitsgerichte (ArbG) in Berlin und Siegburg beschäftigt. Die Urteile zeigen: Es sind hohe Anforderungen an die Argumentierung zu stellen, dass gesundheitliche Gründe gegen das Tragen von Schutzmasken oder Gesichtsvisieren sprechen.
Gesichtsschutzschirm statt Mund-Nasen-Schutz?
Darf ein Arbeitnehmer darauf bestehen, bei seiner Arbeit statt eines Mund-Nasen-Schutzes einen Gesichtsschutzschirm zu tragen?
„Nein“, sagt das ArbG Berlin.
Die Arbeitnehmerin war Flugsicherheitsassistentin an einem Flughafen. Sie hatte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geklagt. Das ArbG argumentierte, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten und die Besucher des Flughafens vor Infektionen schützen müsse. Ein Gesichtsvisier schütze Dritte weniger als der vorgeschriebene Mund-Nasen-Schutz. Dass ihr das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei, habe die Arbeitnehmerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht.
Weder Schutzmaske noch Gesichtsvisier?
„Ohne Schutzmaske oder Gesichtsvisier geht es nicht.“ Der Arbeitgeber darf das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen. Dies musste sich jetzt ein Verwaltungsmitarbeiter in einem Rathaus vom ArbG Siegburg sagen lassen.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Beklagte ordnete im Frühjahr 2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Kläger legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Der Kläger legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen. Der Kläger begehrte nun im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden. Das ArbG wies seine Anträge ab.
Nach Auffassung des Gerichts überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung.
Zudem hatte die Kammer Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Die Kammer ging wie auch das OVG Münster bei der Maskentragepflicht an Schulen davon aus, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne, da der Kläger mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil für sich erwirken will, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne Maske. Einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneinte die Kammer in diesem Fall.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann Berufung beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegt werden.
Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 15.10.2020, 42 Ga 13034/20; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020; ArbG Siegburg, Urteil vom 16.12.2020, 4 Ga 18/20; PM vom 4.1.2021
Corona-Pandemie: Nebentätigkeit eines Patientenmanagers als Krankenpfleger in der Intensivpflege zulässig
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat in einer beabsichtigten Tätigkeit als Krankenpfleger in der Intensivpflege keinen Grund für die Untersagung einer Nebentätigkeit gesehen und damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts (ArbG) Berlin bestätigt.
Der klagende Arbeitnehmer war bei der Arbeitgeberin, einem großen Krankenhaus, langjährig als Krankenpfleger in der Intensivpflege eingesetzt. Zurzeit ist der Kläger als Patientenmanager mit regelmäßigen Arbeitszeiten von Montag bis Freitag tätig. Er teilte der Arbeitgeberin mit, er beabsichtigte, für eine Zeitarbeitsfirma an Samstagen und Sonntagen als geringfügig beschäftigte Krankenpflegekraft auf Intensivstationen zu arbeiten. Die Arbeitgeberin lehnte dies ab und führte zur Begründung aus, es liege eine Wettbewerbssituation vor, der Kläger wolle seinen besonderen Erfahrungsschatz als Intensivpfleger anderweitig nutzen. Zudem stehe die besondere Lage in der Pandemie mit Ansteckungsgefahren der Nebentätigkeit entgegen. Sie habe dem Kläger angeboten, Dienste in ihrem Intensivbereich im Rahmen einer Nebenabrede wahrzunehmen.
Das LAG hat wie das ArbG keinen Grund gesehen, die beabsichtigte Nebentätigkeit zu untersagen. Zur Begründung hat das LAG ausgeführt, es liege keine unmittelbare Konkurrenzsituation vor, gesetzliche Ruhezeiten könnten eingehalten werden, sonstige nachteilige Folgen aufgrund der beabsichtigten anderweitigen Tätigkeit habe die Arbeitgeberin nicht hinreichend dargelegt. Der Kläger könne sowohl im Rahmen seiner Tätigkeit für die Arbeitgeberin als auch im Rahmen der angestrebten Nebentätigkeit mit an COVID-19 erkrankten Patientinnen und Patienten in Kontakt kommen. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine fehlende Einhaltung der erforderlichen Schutzmaßnahmen in den Krankenhäusern, in denen der Kläger im Rahmen seiner Nebentätigkeit eingesetzt werde. Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.9.2020, 16 Sa 2073/19; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020
Corona-Pandemie: Betriebsbedingte Kündigungen kein „Selbstläufer“
Betreffend betriebsbedingte Kündigungen hat das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass allein ein Hinweis auf „Corona“ oder einen Umsatzrückgang aufgrund der Pandemie nicht ausreicht, um eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.
Gesunkener Beschäftigungsbedarf
In der einen Entscheidung stellte das ArbG fest, dass der Arbeitgeber anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen muss, warum nicht nur eine kurzfristige Auftragsschwankung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, spricht dies gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf (ArbG Berlin, Urteil vom 5.11.2020, 38 Ca 4569/20).
Umsatzrückgang
In weiteren Entscheidungen sagte das ArbG, dass die Erklärung, es habe einen starken Umsatzrückgang gegeben und man habe nicht anders auf denselben reagieren können, als eine Anzahl von Kündigungen auszusprechen, keine ausreichende Begründung zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung sei (ArbG Berlin, Urteile vom 25.8.2020, 34 Ca 6664/20, 34 Ca 6667/20, 34 Ca 6668/20).
Home-Office „rettet“ vor Arbeitsortswechsel
Schließlich stellte das ArbG in einem anderen Verfahren Folgendes fest: Auch wenn kein allgemeiner Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office bestehe, könne die mögliche Arbeit von zu Hause aus bei vorhandenen technischen Voraussetzungen einer Änderungskündigung zur Zuweisung eines anderen Arbeitsortes entgegenstehen. Die stärkere Verbreitung des Arbeitens im Home-Office aufgrund der Pandemie zeige, dass Arbeiten von zu Hause aus möglich sei. Gegen die Entscheidung wurde die Berufung beim LAG Berlin-Brandenburg eingelegt (ArbG Berlin, Urteil vom 10.8.2020, 19 Ca 13189/19).
Quelle | Alle Entscheidungen: ArbG Berlin; ArbG Berlin, PM Nr. 34/2020 vom 18.12.2020
Baurecht
Schadenersatz: Kein Ersatz für Wasserschaden: Rückstausicherung fehlte
Ein durch eine Verengung der Abwasserleitung verursachter Rückstauschaden, der durch eine hier fehlende Rückstaueinrichtung hätte verhindert werden können, liegt jedenfalls dann außerhalb des Schutzbereichs einer verletzten Pflicht, wenn der Anlieger nach der einschlägigen Satzung zum Einbau einer solchen Sicherung verpflichtet ist. Das hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Auf den Grund, weshalb es zu einem Rückstau im Leitungssystem gekommen ist, kommt es dann regelmäßig nicht an, so der BGH. In diesen Fällen dürfen sowohl der Träger des Kanalisationsnetzes als auch von ihm mit Bauarbeiten an den Leitungen beauftragte Dritte auf die Einrichtung einer funktionsfähigen Rückstausicherung des Anliegers vertrauen. Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2020, III ZR 134/19
BGH-Entscheidung: Bauüberwachung muss kein mangelfreies Bauwerk bewirken
Übernimmt ein Planungsbüro Planungs- und Bauüberwachungsleistungen, verspricht es nicht, dass das Bauwerk mangelfrei errichtet wird. Es schuldet nur eine mangelfreie Planungs- oder Überwachungsleistung, nicht jedoch die handwerkliche Ausführung auf der Baustelle. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt klargestellt.
Lange ist die Praxis davon ausgegangen, dass Mängel, die als Ausführungsmängel auf der Baustelle angefallen sind, auch eine mangelhafte Bauüberwachung bedeuten. Diese Annahme führte häufig zu Prozessen über das Verschulden von Ausführungsmängeln. So stellte sich oft die Frage, ob die Bauüberwachung auch faktisch dafür sorgen musste, dass die Bauausführung durch die Unternehmen mangelfrei erfolgte. Oder es war unklar, ob Ausführungsmängel auf der Baustelle gleichzeitig bedeuteten, dass eine unsachgemäße Bauüberwachung vorlag und ein Honorareinbehalt gerechtfertigt war. Schließlich fragte es sich auch, ob gerügte Ausführungsmängel eine mangelhafte Bauüberwachung belegt haben. Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Objektüberwachung entlastet. In diesem Sinne sind die drei oben beschriebenen Fragen mit „Nein“ zu beantworten. Danach ist künftig zwischen Bauüberwachungsleistungen des Planungsbüros und ausführenden Leistungen des Bauunternehmens zu differenzieren.
Quelle | BGH, Beschluss vom 8.10.2020, VII ARZ 1/20
Familien- und Erbrecht
Nachlasspflegschaft: Ist Erbeserbe unbekannt, schlägt dieser Status nicht auf den Erben durch
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat entschieden: Eine Nachlasspflegschaft kommt nicht in Betracht, wenn nur Erbeserben des Nachlasses, nicht aber die Erben unbekannt sind.
Manchmal ist es kompliziert: Eine vor Jahren verstorbene Erblasserin ist in Erbengemeinschaft mit weiteren Miterben als Eigentümerin eines Grundstücks eingetragen. Die Erblasserin ist zwischenzeitlich selbst beerbt worden, und zwar von mehreren Geschwistern, Neffen und Nichten, von denen einige mittlerweile ebenfalls verstorben sind. Deren Erben wiederum sind zum Teil unbekannt.
Einige (unmittelbare) Erben der Erblasserin hatten nun beantragt, eine Nachlasspflegschaft bezogen auf den Nachlass der Erblasserin anzuordnen. Die Voraussetzungen der Einrichtung einer solchen Nachlasspflegschaft liegen hier aber nach Ansicht des OLG Düsseldorf deshalb nicht vor, weil die Erben der Erblasserin nicht unbekannt sind. Denn die Erblasserin sei von ihren (bekannten) Geschwistern, Nichten und Neffen beerbt worden.
Zwar treffe es zu, dass einige dieser Erben inzwischen verstorben und ihrerseits von weiteren Personen beerbt worden sind, die zum Teil unbekannt sind. Das spielt jedoch so das OLG allenfalls für die Frage eine Rolle, ob ggf. eine Nachlasspflegschaft für einen oder mehrere dieser Erbeserben einzurichten ist. Es führt nicht dazu, dass deshalb die Erben der Erblasserin nun ihrerseits als unbekannt angesehen werden könnten.
Quelle | OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2.11.2020, I-3 Wx 163/20
Corona-Schutzimpfung: Betreuer benötigt keine betreuungsrechtliche Genehmigung
Das Amtsgericht (AG) Osnabrück weist darauf hin, dass ein Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigter grundsätzlich keine betreuungsgerichtliche Genehmigung benötigt, wenn er für den Betroffenen die Einwilligung zur Impfung erteilt.
Der Betreuer darf aber nur einwilligen, wenn er den Aufgabenkreis Gesundheitssorge innehat. Auch darf die betreute Person selbst nicht in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen. Der Betreuer muss auf die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betreuten Rücksicht nehmen.
Beachten Sie | Eine Ausnahme von der Genehmigungsfreiheit dürfte anzunehmen sein, wenn eine ärztliche Einschätzung vorliegt, wonach wegen des gegenwärtigen Gesundheitszustandes des Betreuten für ihn Gefahren von einer Impfung ausgehen. Die Ablehnung einer ärztlich empfohlenen Impfung kann dagegen genehmigungsbedürftig sein, wenn die betreute Person durch die Nichtimpfung erheblichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wird.
Quelle | AG Osnabrück, PM Nr. 26/2020 vom 22.12.20
Umgangsrecht: Ohne sozial-familiäre Beziehung keine Bezugsperson
Verwandte, die nicht zum Personenkreis der Großeltern, Geschwister oder leiblicher (nicht rechtlicher) Vater eines Kindes gehören, können kein unabhängiges Umgangsrecht ausüben und müssen eine sozial-familiäre Beziehung nachweisen, so das Oberlandesgericht (OLG) Bremen. Eine Ausnahme gilt selbst dann nicht, wenn eine Familientragödie vorliegt.
Die Geschwister des Vaters, der die Mutter seiner drei Kinder getötet hatte, wünschten sich Umgangskontakte mit ihnen, weil die Kinder zu ihrer Familie gehörten. Die minderjährigen Kinder lebten in einer Pflegefamilie und standen unter der Vormundschaft des Jugendamts. Sie kannten die Verwandten nicht näher und lehnten Kontakte zu Familienangehörigen des Vaters ab.
Zum Schutz der Kinder hat das OLG dem Umgangsbegehren nicht entsprochen. Eine Auslegung der sozial-familiären Beziehung mit einem großzügigen Maßstab kam vorliegend nicht zur Anwendung. Eine sozial-familiäre Beziehung enger Bezugspersonen des Kindes ist anzunehmen, wenn diese für das Kind tatsächliche Verantwortung tragen oder getragen haben. Ausreichend ist insofern, dass die den Umgang begehrende Person für das Kind in der Vergangenheit tatsächlich Verantwortung getragen hat, dass sie damit eine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind begründet hat und dass sie deshalb für das Kind, jedenfalls in der Vergangenheit, eine enge Bezugsperson war. Das Entstehen einer sozial-familiären Beziehung setzt zwar nicht voraus, dass ein Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft mit der Umgang begehrenden Person gelebt hat. Eine sozial-familiäre Beziehung kann daher auch zu Nachbarn, Verwandten und Freunden der Eltern bestehen, wenn das Kind ein besonderes Vertrauensverhältnis zu ihnen entwickelt hat. Eine Anbahnung einer sozial-familiären Beziehung durch die Ausübung des Umgangsrechts wurde hier in Bezug auf das Kindeswohl nicht gesehen.
Gegen den Beschluss wurde keine Rechtsbeschwerde eingelegt.
Quelle | OLG Bremen, Beschluss vom 5.2.2020, 4 UF 131/19
Mietrecht und WEG
Vergleichsmiete: Mietspiegel oder Sachverständigengutachten?
Das Gericht darf vom Einholen eines beantragten Sachverständigengutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete absehen, wenn sich die verlangte Miete innerhalb einer unstreitigen oder in dem einschlägigen Mietspiegelfeld eines (einfachen) Mietspiegels ausgewiesenen Spanne bewegt und für die Bestimmung der Einzelvergleichsmiete im Wege der Schätzung eine geeignete Schätzungsgrundlage vorhanden ist. So möchte der Bundesgerichtshof (BGH) Kosten und Zeit sparen.
Der BGH sieht das Gericht hierzu jedoch nicht als verpflichtet an. Vor allem verstoße es nicht gegen das Gebot des fairen Verfahrens und das Rechtsstaatsprinzip, wenn das Gericht ein teures Sachverständigengutachten zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einholt und so der Mieter riskiert, im Fall eines Unterliegens hohe Kosten tragen zu müssen.
Quelle | BGH, Urteil vom 18.11.20, VIII ZR 123/20
Rückkbaupflicht: Wenn der Räumungstitel zu unbestimmt ist …
Verpflichtet ein Urteil den Schuldner im Rahmen von Rückbaumaßnahmen, den „früheren Zustand“ wiederherzustellen, ohne dies näher zu erläutern, ist der Titel zu unbestimmt. Er kann nicht vollstreckt werden. So sieht es das Landgericht (LG) Frankfurt a. M.
Dem Schuldner war vorgeworfen worden, Fenster entfernt zu haben, Außenmauern erweitert und neue Mauern errichtet zu haben. Welche dieser Maßnahmen in welchem Umfang unter die o. g. Rückbaupflicht fallen, lässt sich aus der zu ungenau formulierten Verpflichtung nicht erkennen. Offen bleibt auch der Zustand, der wiederhergestellt werden sollte. Dieser war hier auch aus der Klageschrift nicht eindeutig zu erkennen.
Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4.11.2020, 2-13 T 73/20
Hausfriedensstörung: Dem Mieter droht die Kündigung
Der Vermieter kann das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung hat. Doch wann liegt ein solches Interesse vor? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun klargestellt: Ein solches Interesse liegt etwa dann vor, wenn der Mieter Mit-Mieter beleidigt („Du Arschloch“) und bedroht.
Eine Abmahnung ist keine Voraussetzung für die Kündigung, kann aber eine gewisse Rolle spielen, etwa wenn sich der Mieter über den Inhalt der Abmahnung hinwegsetzt. Schließlich hält der BGH fest: Eine Abmahnung ist lediglich ein einzelner Gesichtspunkt bei der umfassenden Prüfung, ob eine schuldhafte, erhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorliegt. Auch das Verhalten von Besuchern des Mieters kann in diesem Zusammenhang Relevanz erlangen.
Quelle | BGH, Beschluss vom 25.8.20, VIII ZR 59/20
Mietnebenkosten: Baumfällkosten sind auf den Mieter umlegbar
Die erforderlichen Kosten für das Fällen abgestorbener oder absterbender Bäume sowie deren Abfuhr und Entsorgung stellen umlagefähige Betriebskosten dar. So sieht es anders als erst kürzlich das Amtsgericht (AG) Leipzig das Landgericht (LG) München.
Nach § 2 Nr. 10 BetrKV gehören die Kosten der Erneuerung von Pflanzen und Gehölzen zu den umlegbaren Kosten. Die gärtnerisch notwendige Erneuerung eines Baums setzt, so das LG, dessen Beseitigung voraus. Für die Umlegbarkeit solcher Baumfällkosten auf den Mieter ist eine Neu- bzw. Ersatzanpflanzung nicht erforderlich. Das LG hebt hervor: Es kommt nicht auf die Intervalle an, in denen bestimmte Arbeiten zu erledigen sind, sondern darauf, ob bestimmte Maßnahmen zu einer ordnungsgemäßen laufend ausgeführten Gartenpflege gehören. Da ein Absterben von Bäumen eine natürliche Entwicklung ist, handele sich nicht um außergewöhnliche Kosten, denen es an der Berechenbarkeit fehlt.
Quelle | LG München I, Urteil vom 19.11.20, 31 S 3302/20
WEG-Recht: Ein Imbiss ist kein Laden
Ein Dönergrill darf im Teileigentum „Laden“ nicht betrieben werden. Denn er stört typischerweise mehr als ein Ladengeschäft. Das hat jetzt das Amtsgericht (AG) München entschieden.
In einem solchen Fall liegt eine sog. zweckbestimmungswidrige Nutzung vor. Das AG räumt zwar ein, dass sich die Bedeutung des Begriffs „Laden“ geändert haben könnte, etwa nach Wegfall der Ladenschlusszeiten. Das bedeute aber nicht, dass ein Imbiss wie ein Laden zu qualifizieren sei. Ein Imbiss habe generell ein größeres Störpotenzial. Ob tatsächlich Störungen stattfinden, sei unerheblich.
Quelle | AG München, Urteil vom 31.10.2020, 483 C 8260/19
Mietminderung: Wenn das Fenster nicht ganz zu öffnen ist …
Einbauten des Vermieters nach Vorgaben der Denkmalschutzbehörde können eine Mietminderung rechtfertigen. Das hat jetzt das Landgericht (LG) Berlin in einem ungewöhnlichen Fall entschieden.
Der Vermieter (Beklagter) hatte in die Wohnung des Mieters (Kläger) nach den Auflagen des Denkmalschutzes neue Fenster eingebaut. Diese lassen sich nur einen Spalt öffnen. Zudem sind sie sehr geruchs- und lärmdurchlässig. Der Mieter minderte die Miete um 5 Prozent nach dem LG zu Recht. Denn es sei nur darauf abzustellen, ob die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung beeinträchtigt sei. Das war hier gegeben. Auf ein Verschulden des Vermieters, öffentlich-rechtliche Vorgaben oder Beschränkungen komme es dabei nicht an.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 27.2.2020, 64 S 270/18
Verbraucherrecht
Versicherungsrecht: Verspätete Anzeige des Versicherungsfalls nicht immer schuldhaft
Eine Versicherung kann sich nicht auf die verspätete Anzeige eines Versicherungsfalls berufen, wenn der Versicherungsnehmerin aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands weder die eigene Anzeige des Versicherungsfalls noch die Information ihres bevollmächtigten Ehemanns möglich war und der Ehemann keine Kenntnis von dem Versicherungsvertrag (Pflegetagegeldversicherung) besaß. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. entschieden.
Der Kläger begehrt von der beklagten Versicherung die rückwirkende Leistung von Pflegetagegeld für seine inzwischen verstorbene Frau. Diese unterhielt bei der Versicherung eine Pflegetagegeldversicherung für den Fall einer Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III). In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen hieß es u. a.: Wird der Antrag nach Ablauf des Monats gestellt, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, ist der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben. Bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls werden die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht.
Der Kläger besaß eine Vorsorgevollmacht für seine Frau. Diese erlitt 2012 einen schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit und erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens. Im Jahr 2013 erhielt sie die Pflegestufe III. Der Kläger meldete den Versicherungsfall im Jahr 2015 und beantragte eine rückwirkende Leistungserbringung ab 2013. Dies lehnte die Versicherung ab.
Das LG hat die Klage zwar abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung war aber erfolgreich. Die Versicherung kann sich nicht auf eine verspätete Anzeige des Versicherungsfalls gem. den Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen. Die verspätete Anzeige ist unverschuldet erfolgt. Grundsätzlich muss der Versicherungsnehmer selbst den Versicherungsfall anzeigen. Der Frau war aber aufgrund des Schlaganfalls weder die eigene Anzeige noch eine Information des Klägers über die streitgegenständliche Versicherung möglich gewesen. Sie musste auch nicht im Sinne einer vorausschauenden Verhaltenspflicht den Kläger vor dem Eintritt des Versicherungsfalls über das Bestehen des Versicherungsvertrags informieren. Eine solche „Vorsorgeobliegenheit“ existiert nicht.
Der Kläger selbst hat auch nicht schuldhaft und in einer seiner Frau zuzurechnenden Weise eine frühere Meldung des Versicherungsfalls unterlassen. Er hatte unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrags. Die ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge in Höhe von 20 Euro hatten keinen Anlass geboten, von einer derartigen Versicherung auszugehen. Aus dem Buchungstext hat sich allein ergeben, dass irgendein Versicherungsvertrag bei der Versicherung bestanden hat, nichts jedoch zur Art der Versicherung.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 11.11.2020, 7 U 36/19
Verbraucherschutz: Inkassoregulierung mit zweistufigem Inkrafttreten
Ende 2020 hat auch der Bundesrat dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht zugestimmt. Es wird teilweise am 1.1.21 (§ 25 RVG) und teilweise zum 1.10.21 in Kraft treten. Es betrifft u. a. die Anwaltsvergütung beim Erbringen von Inkassodienstleistungen.
Betroffen sind Inkassodienstleistungen, d. h. die Einziehung von fremden Forderungen, die im Wesentlichen unstreitig sind. Unerheblich bleibt nun, ob diese Leistung von Rechtsanwälten oder Inkassodienstleistern erbracht werden. Geschäfts- und Einigungsgebühr werden massiv gekürzt, vor allem bei Hauptforderungen unter 50 Euro und bei einer direkten Zahlung auf die erste Zahlungsaufforderung des Rechtsanwalts oder Inkassodienstleisters.
Neue Hinweispflichten für Inkassodienstleister sowie Anwälte gibt es, wenn diese Adressen von Schuldnern nicht vom Gläubiger mitgeteilt bekommen, sondern anderweitig ermittelt haben. Dann kann ein Identitätsdiebstahl vorliegen, bei dem unter fremdem Namen Waren bestellt werden.
Quelle | Bundesgesetzblatt I 2020, Seite 3327
Datenschutz: Eine E-Mail-Adresse ist noch keine Anschrift
Betreiber einer Videoplattform müssen keine E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen ihrer Nutzer herausgeben, falls diese urheberrechtlich geschützte Inhalte widerrechtlich auf die Plattform hochgeladen haben. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, nachdem er vorher den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gefragt hatte.
Der Begriff „Anschrift“ im Sinne des Urheberrechts deckt sich nämlich mit dem Begriff „Adressen“ in einer einschlägigen EU-Richtlinie. Diese Richtlinienvorschrift ist nach dem EuGH dahin auszulegen, dass der darin genannte Begriff „Adressen“ sich, was einen Nutzer anbelangt, der durch das Hochladen von Dateien ein Recht des geistigen Eigentums verletzt hat, nicht auf die E-Mail-Adresse und Telefonnummer dieses Nutzers sowie die für das Hochladen dieser Dateien genutzten IP-Adresse oder die bei seinem letzten Zugriff auf das Benutzerkonto verwendete IP-Adresse bezieht. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Umfangs der Auskunft im deutschen Urhebergesetz über die Regelung der europäischen Richtlinie hinausgehen wollte. Es gibt, so der BGH, auch keinen darüberhinausgehenden Auskunftsanspruch aus dem allgemeinen Auskunftsanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 242 BGB, Leistung nach Treu und Glauben).
Quelle | BGH, Urteil vom 10.12.2020, I ZR 153/17, PM Nr. 159/20
Corona-Pandemie: Kita- und Schulschließung: Eltern erhalten Entschädigung
Eltern haben Anspruch auf Entschädigung, wenn aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Kita-Ferien angeordnet oder verlängert werden oder die Präsenzpflicht in der Schule ausgesetzt wird und sie deshalb Urlaub nehmen müssen. So steht es im „Gesetz über eine Corona-Sonderzahlung für Besoldungs- und Wehrsoldempfänger“, das von Bundestag und -rat beschlossen ist und rückwirkend ab dem 16.12.2020 in Kraft treten soll.
Voraussetzung für den Anspruch auf Entschädigung ist, dass keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind besteht. Anspruchsberechtigt sind Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und hilfebedürftig sind. Betroffene Eltern haben Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Verdienstausfalls, maximal jedoch von 2.016 Euro monatlich. Der Anspruch gilt für insgesamt 20 Wochen: jeweils zehn Wochen für Mütter und zehn Wochen für Väter bzw. 20 Wochen für Alleinerziehende. Der Maximalzeitraum kann über mehrere Monate verteilt werden.
Beachten Sie | Auch der Anspruch auf Kinderkrankentage (Bezug des Kinderkrankengeldes über die Krankenkasse) wurde rückwirkend zum 1.1.2021 erhöht. Kinderkrankentage können demnach nicht nur im Krankheitsfall des Kindes, sondern auch bei zwingender Betreuung zu Hause (z. B. Homescooling aufgrund der Corona-Pandemie) beantragt werden.
Quelle | Gesetz über eine Corona-Sonderzahlung für Besoldungs- und Wehrsoldempfänger, Abruf-Nr. 219595 unter www.iww.de; Bundesministerium für Gesundheit, PM vom 18.1.2021
Verkehrsrecht
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde: Bußgeldverfahren: Betroffene müssen Zugang zu außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen erhalten
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die den Zugang des Betroffenen im Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung zu Informationen betrifft, die nicht Teil der Bußgeldakte waren. Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen.
Das wollte der Betroffene
Der Betroffene begehrte zunächst im Rahmen des behördlichen Bußgeldverfahrens wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erfolglos Zugang zu Informationen, u. a. der Lebensakte des verwendeten Messgeräts, dem Eichschein und den sogenannten Rohmessdaten, die sich nicht in der Bußgeldakte befanden. Sein gegen den anschließend erlassenen Bußgeldbescheid eingelegter Einspruch blieb erfolglos. Das BVerfG: Dies verletzte den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren.
So argumentierte das BVerfG
Von Verfassungs wegen ist nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht im Fall eines standardisierten Messverfahrens ausgegangen sind. Bei diesen Messverfahren sind geringere Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte zu stellen. Bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit des Messergebnisses, genügt deshalb zum Nachweis eines Geschwindigkeitsverstoßes grundsätzlich die Mitteilung des eingesetzten Messverfahrens, der ermittelten Geschwindigkeit nach Abzug der Toleranz und des berücksichtigten Toleranzwerts. Bei standardisierten Messverfahren sind daher im Regelfall ohne konkrete Anhaltspunkte für eventuelle Messfehler die Feststellungs- und Darlegungspflichten des Tatgerichts reduziert.
Dem Betroffenen bleibt aber die Möglichkeit, das Tatgericht auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen. Hierfür muss er konkrete Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes vortragen. Die bloße Behauptung, die Messung sei fehlerhaft, begründet für das Gericht keine Pflicht zur Aufklärung.
Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt aber auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Wenn der Betroffene Zugang zu Informationen begehrt, die sich außerhalb der Gerichtsakte befinden, um sich Gewissheit über Tatsachen zu verschaffen, die seiner Entlastung dienen, ist ihm dieser Zugang grundsätzlich zu gewähren. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen unbegrenzt gilt.
Verhältnismäßigkeit muss gegeben sein
Gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten ist in Hinblick auf die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen, um eine uferlose Ausforschung, erhebliche Verfahrensverzögerungen und Rechtsmissbrauch zu verhindern. Insofern ist maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen bzw. seines Verteidigers abzustellen. Entscheidend ist, ob dieser eine Information für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs für bedeutsam halten darf.
Versäumnisse der Fachgerichte
Das BVerfG beanstandete hier, die Fachgerichte hätten bereits verkannt, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen folgt.
Entgegen der Annahme der Fachgerichte kam es dem Betroffenen insbesondere nicht auf die Erweiterung des Aktenbestands oder der gerichtlichen Aufklärungspflicht an. Vielmehr ging es ihm um die Möglichkeit einer eigenständigen Überprüfung des Messvorgangs, um gegebenenfalls bei Anhaltspunkten für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses die Annahme des standardisierten Messverfahrens erschüttern zu können.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020, 2 BvR 1616/18
Keine unzumutbare Härte: Fahrerlaubnis darf auch während der Corona-Pandemie entzogen werden
Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat in einem Eilverfahren entschieden: Der Entzug der Fahrerlaubnis begründet auch dann keine unzumutbare Härte, wenn der Betroffene wegen der Corona-Pandemie besonders auf das Führen eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist.
„Punkte-Konto“ war voll
Nach dem Gesetz gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis u. a. dann als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ein Stand von acht oder mehr Punkten ergibt und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen. Da dies bei dem Antragsteller der Fall war, entzog ihm die zuständige Fahrerlaubnisbehörde seine Fahrerlaubnis. Das hiergegen angestrengte Eilverfahren, mit dem er u. a. geltend machte, er müsse seine Tochter mit dem Auto zur Schule bringen und Versorgungsfahrten für seine Eltern durchführen, die wegen der Corona-Pandemie außer ihm niemanden mehr in ihr Haus ließen, blieb ohne Erfolg.
Keine unzumutbare Härte in der Pandemie-Situation
Negative Auswirkungen, wie sie der Antragsteller geltend mache, seien vom Gesetzgeber bei der Schaffung der einschlägigen Bestimmungen bedacht, aber zum Schutze anderer Verkehrsteilnehmer hingenommen worden. Sie führten deswegen regelmäßig auch nicht zu einer unzumutbaren Härte. Ungeeignete Kraftfahrer, so das VG, gefährdeten das Leben und die körperliche Unversehrtheit der übrigen Verkehrsteilnehmer. Das gelte auch während der Corona-Krise.
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz zu.
Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 1.12.2020, 4 L 1078/20.KO
Autokauf: „Gekauft wie gesehen“ gilt nicht bei Arglist
Die Klage auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen gebrauchten Pkw wegen arglistiger Täuschung des Käufers hatte vor dem Landgericht (LG) Coburg überwiegend Erfolg. Nur für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer musste der Kläger Abzüge hinnehmen.
Sachverhalt
Der Kläger hatte im Jahr 2018 vom Beklagten einen damals sieben Jahre alten Pkw mit einer Laufleistung von 122.000 km zum Preis von 10.500 Euro gekauft und hierbei auch einen Gewährleistungsausschluss vereinbart. Zugleich hatte der beklagte Verkäufer dem Kläger jedoch zugesichert, dass das Fahrzeug keinen Unfallschaden erlitten habe, solange es im Eigentum des Beklagten war und dass mit Ausnahme eines Schadens an der Frontstoßstange keine weiteren Beschädigungen vorlägen. In der Folgezeit wurde der Pkw nach einem Unfall des Klägers begutachtet. Dabei wurden verschiedene unreparierte und auch reparierte Vorschäden festgestellt. Tatsächlich war das Fahrzeug nämlich schon vor dessen Erwerb durch den Beklagten, dem späteren Verkäufer, bei einem Unfall beschädigt worden und musste für mehr als 5.000 Euro repariert werden.
Daraufhin focht der Kläger den Kaufvertrag an und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises. Er behauptete, der Verkäufer habe das Fahrzeug von seinem Bruder gekauft und sei in dem ihn betreffenden Kaufvertrag auf einen reparierten Unfallschaden hingewiesen worden. Der Beklagte berief sich darauf, die Unfallfreiheit des Fahrzeuges nur für die Zeit seines Besitzes zugesichert zu haben. Zu der Frage, ob der Beklagte von dem Unfall des Fahrzeugs während der Besitzzeit seines Bruders wusste, machte der Beklagte teilweise widersprüchliche Angaben. Außerdem sei der Schaden repariert worden und der Kläger hätte ausreichend Gelegenheit zur Besichtigung des Pkw vor dem Kauf gehabt. Eine arglistige Täuschung durch das Verschweigen des Unfallschadens stritt der beklagte Verkäufer ab.
Landgericht erkennt arglistige Täuschung
Das LG sah im Verhalten des Beklagten eine arglistige Täuschung und gab der KIage überwiegend statt. Danach besteht für den Verkäufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs die Verpflichtung, den potenziellen Käufer auch ungefragt auf bekannte Mängel oder frühere Unfallschäden hinzuweisen, selbst dann, wenn der Schaden bereits fachgerecht repariert wurde. Eine Ausnahme gilt nur für sogenannte Bagatellschäden, also ganz geringfügige äußere Schäden, beispielsweise im Lack. Angesichts der Reparaturkosten von mehr als 5.000 Euro liegt eine solche Ausnahme hier jedoch nicht vor, sodass eine Aufklärung des Klägers über diesen Unfallschaden auch geboten war.
Weil dem Beklagten aber dieser frühere Unfallschaden tatsächlich bekannt war, handelte er nach der Entscheidung des LG auch arglistig, als er den Käufer nicht darüber informierte. Dafür ist es ausreichend, dass es der Verkäufer zumindest billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer bei wahrheitsgemäßer Information den Vertrag nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt oder zu diesem Preis geschlossen hätte. Die Vertragsanfechtung des Klägers war damit wirksam und der Kaufvertrag war rückgängig zu machen. Der beklagte Verkäufer musste deshalb das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis an den Kläger zurückzahlen. Hierbei war jedoch ein Abzug für die vom Kläger zwischenzeitlich gefahrenen fast 20.000 Kilometer im Wege des sogenannten „Vorteilsausgleichs“ vorzunehmen, ein Betrag von knapp 2.700 Euro. Außerdem wurde der Beklagte zur Zahlung von Zinsen und Rechtsanwaltskosten des Klägers verurteilt.
Quelle | LG Coburg, Urteil vom 24.9.2020, 15 O 68/19
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Gesetzesvorhaben: Zweites Führungspositionen-Gesetz
Bereits im Jahr 2015 trat das Führungspositionen-Gesetz (FüPoG) in Kraft. Nun wird es im Gesetzentwurf zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (FüPoG II) weiterentwickelt. Die wichtigsten Regelungsinhalte hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vorgestellt.
Das Ziel des Zweiten Führungspositionen-Gesetzes ist, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen und verbindliche Vorgaben für die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst zu machen. Es soll die Wirksamkeit des FüPoG verbessern und Lücken schließen. Eine zentrale Neuerung ist ein Mindestfrauenanteil für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern in großen deutschen Unternehmen.
Unternehmen der Privatwirtschaft
- Ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau gilt für Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Davon werden über 70 Unternehmen betroffen sein, von denen 31 aktuell keine Frau im Vorstand haben.
- Unternehmen werden in Zukunft begründen müssen, warum sie sich das Ziel setzen, keine Frauen in den Vorstand zu berufen. Unternehmen, die keine Zielgröße melden oder keine Begründung für die Zielgröße Null angeben, werden künftig effektiver sanktioniert.
Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung Bund und in Körperschaften des öffentlichen Rechts
- Der Bund nimmt seine Vorbildfunktion ernst und setzt seinen Unternehmen strenge Vorgaben. Die feste Geschlechterquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten wird auf Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes ausgeweitet. Für diese 94 Unternehmen wird außerdem eine Mindestbeteiligung von einer Frau in Vorständen, die mehr als zwei Mitglieder haben, eingeführt.
- Auch in Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie den Krankenkassen, und bei Renten- und Unfallversicherungsträgern sowie bei der Bundesagentur für Arbeit wird eine Mindestbeteiligung von einer Frau in mehrköpfigen Vorständen eingeführt. Das Mindestbeteiligungsgebot wird künftig für rund 155 Sozialversicherungsträger gelten.
Öffentlicher Dienst des Bundes
- Der Bund setzt sich auch das Ziel, die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen im Geltungsbereich des Bundesgleichstellungsgesetzes bis Ende 2025 zu erreichen.
- Mehr Gleichstellung soll auch die Ausweitung der Vorgaben des Bundesgremienbesetzungsgesetzes erreichen. Künftig fallen bereits Gremien mit nur zwei Mitgliedern darunter und rund 107 weitere Gremien des Bundes sind künftig adäquat mit Frauen zu besetzen.
Quelle | BMFSFJ, Gesetzesentwurf zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz FüPoG II) vom 6.1.2021
Jahresabschluss 2019: Kein Ordnungsgeld bei verspäteter Offenlegung
Vom Bundesamt für Justiz gibt es gute Nachrichten. Zwar wurde die Offenlegungsfrist für den Jahresabschluss für 2019 mit dem Bilanzstichtag 31.12.2019 nicht über den 31.12.2020 hinaus verlängert. Allerdings wird das Bundesamt vor dem 1.3.2021 bei Verspätung kein Ordnungsgeldverfahren einleiten.
Beachten Sie | Eine verspätete Offenlegung des Jahresabschlusses will dennoch gut überlegt sein, um z. B. bei Geschäftspartnern, Gläubigern oder anderen Interessierten nicht den Eindruck zu erwecken, dass das Unternehmen Schwierigkeiten hat.
Quelle | Bundesamt für Justiz, Mitteilung auf der Website, abrufbar unter www.iww.de/s4480
Berechnung der Verzugszinsen
Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 30. Juni 2021 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze
Zeitraum | Zinssatz |
---|---|
01.07.2020 bis 31.12.2020 | -0,88 Prozent |
01.01.2020 bis 30.06.2020 | -0,88 Prozent |
01.07.2019 bis 31.12.2019 | -0,88 Prozent |
01.01.2019 bis 30.06.2019 | -0,88 Prozent |
01.07.2018 bis 31.12.2018 | -0,88 Prozent |
01.01.2018 bis 30.06.2018 | -0,88 Prozent |
01.07.2017 bis 31.12.2017 | -0,88 Prozent |
01.01.2017 bis 30.06.2017 | -0,88 Prozent |
01.07.2016 bis 31.12.2016 | -0,88 Prozent |
01.01.2016 bis 30.06.2016 | -0,83 Prozent |
01.07.2015 bis 31.12.2015 | -0,83 Prozent |
01.01.2015 bis 30.06.2015 | -0,83 Prozent |
01.07.2014 bis 31.12.2014 | -0,73 Prozent |
01.01.2014 bis 30.06.2014 | -0,63 Prozent |
01.07.2013 bis 31.12.2013 | -0,38 Prozent |
01.01.2013 bis 30.06.2013 | -0,13 Prozent |
01.07.2012 bis 31.12.2012 | 0,12 Prozent |
01.01.2012 bis 30.06.2012 | 0,12 Prozent |
01.07.2011 bis 31.12.2011 | 0,37 Prozent |
01.01.2011 bis 30.06.2011 | 0,12 Prozent |
01.07 2010 bis 31.12.2010 | 0,12 Prozent |
01.01.2010 bis 30.06.2010 | 0,12 Prozent |
01.07 2009 bis 31.12.2009 | 0,12 Prozent |
01.01.2009 bis 30.06.2009 | 1,62 Prozent |
01.07.2008 bis 31.12.2008 | 3,19 Prozent |
01.01.2008 bis 30.06.2008 | 3,32 Prozent |
01.07.2007 bis 31.12.2007 | 3,19 Prozent |
01.01.2007 bis 30.06.2007 | 2,70 Prozent |