Oktober 2024

Arbeitsrecht

Corona-Pandemie: Beschäftigungsanspruch: Eishockeyspieler ist kein Schauspieler

Für Bühnenkünstler gewährt die Rechtsprechung pauschalierten Schadenersatz von bis zu sechs Monatsgagen pro Spielzeit, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers verletzt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun: Dieser Anspruch kann nicht auf den Profimannschaftssport übertragen werden.

Saisonabbruch in der Corona-Pandemie: Kläger durfte nicht spielen

Der Kläger ist Eishockeyspieler. Er stritt mit seinem Arbeitgeber über einen Schadenersatzanspruch. Sein Arbeitgeber, der Beklagte, hatte ihn in der Saison 2019/2020 nicht beschäftigt, da diese aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen wurde. Bis dahin fungierte er als Kapitän und Leistungsträger der Mannschaft.

Außerordentliche fristlose Kündigung

Die Beklagte sprach eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus und bot gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an und erhob eine Änderungsschutzklage. Daraufhin stellte die Beklagte den Kläger vom Mannschaftstraining frei. Durch einstweilige Verfügung erstritt der Kläger die Zulassung zum Trainingsbetrieb. Anschließend erfolgte eine außerordentliche fristlose Kündigung.

Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen und der fristlosen Kündigung fest. Die tatsächliche Teilnahme am Training wurde dem Kläger jedoch durchgängig verweigert. Er ist der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Schadenersatz aufgrund der Weigerung der Beklagten, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Ihm sei ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden, da er als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im Mannschaftstraining habe weiterentwickeln und verbessern können. Dadurch habe sein Marktwert gelitten, denn ein Profimannschaftssportler bedürfe der ständigen Trainingspraxis. Die Beklagte habe sich ihm gegenüber durchgängig unlauter verhalten. Die Vorinstanzen gaben der Klage in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern statt und wiesen die weitergehende Klageforderung ab.

Kläger blieb vor dem Bundesarbeitsgericht erfolglos

Vor dem BAG blieb der Kläger erfolglos. Er hat keinen Anspruch auf weiteren Schadenersatz wegen der Verletzung seines Beschäftigungsanspruchs. Zwar besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung und damit korrespondierend eine Pflicht des Arbeitgebers, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen. Die Beklagte hatte den Beschäftigungsanspruch auch schuldhaft verletzt, indem sie ihn vom Mannschaftstraining suspendiert hatte. Dies und die anschließende außerordentliche fristlose Kündigung seien zudem eine Maßregelung gewesen, da der Kläger lediglich in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hatte.

Der Kläger hat aber nicht ausreichend dargelegt, dass ihm infolge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein solcher Schaden entstanden sei. Zudem dürfen, so das BAG, Schadenersatzansprüche von Profimannschaftssportlern nicht in Anlehnung an die Rechtsprechung für andere Berufsgruppen, z. B. Bühnenkünstler, pauschalierend festgesetzt werden. Für die Schätzung des Schadens eines Profimannschaftssportlers bedürfe es greifbarer Tatsachen. Hieran fehlte es vorliegend. Mangels konkreter Anhaltspunkte könnte nur eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens erfolgen, die vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre.

Quelle | BAG, Urteil vom 29.2.2024, 8 AZR 359/22

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Einstweilige Verfügung: Schwerbehinderter Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung

Das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden, dass ein schwerbehinderter Arbeitnehmer Anspruch auf die Durchführung einer stufenweisen Wiedereingliederung gegenüber seiner Arbeitgeberin hat. Er darf diesen auch im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens durchsetzen.

Das war geschehen

Der schwerbehinderte Arbeitnehmer ist seit September 1988 bei der Arbeitgeberin – einem Unternehmen, das Bauelemente herstellt und vertreibt, – als Verkaufs- und Vertriebsleiter tätig. Er ist wegen eines Hirntumors seit April 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und war bis zum 10.4.2024 fahruntüchtig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird nach Erreichen der Regelaltersgrenze des Arbeitnehmers mit dem Ablauf des Monats Oktober 2024 enden. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Arbeitnehmer, ihn ab Mitte März 2024 entsprechend einem ärztlichen Wiedereingliederungsplan nach dem sog. „Hamburger Modell“ zu beschäftigen, um zeitnah an seinen Arbeitsplatz zurückkehren zu können.

Fehlende Fahrtüchtigkeit steht Wiedereingliederung nicht im Weg

Das ArbG gab dem Antrag des schwerbehinderten Arbeitnehmers statt, da die Arbeitgeberin verpflichtet sei, an der stufenweisen Wiedereingliederung mitzuwirken. Dem stehe die fehlende Fahrtüchtigkeit des Arbeitnehmers nicht entgegen. Der Arbeitnehmer könne während der Fahruntüchtigkeit zu Beginn der Wiedereingliederung zunächst seinem Aufgabenprofil entsprechende Büroarbeiten erledigen.

Sache ist eilbedürftig

Die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung besondere Eilbedürftigkeit ergab sich nach Auffassung des Arbeitsgerichts daraus, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf die zeitnahe Wiedereingliederung angewiesen sei. Demgegenüber würde eine Versagung der Wiedereingliederung den Teilhabeanspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers am Erwerbsleben vereiteln oder jedenfalls erheblich erschweren. Auch der nahe Renteneintritt des Arbeitnehmers ändert nach Ansicht des ArbG nichts am Eilbedürfnis.

Quelle | ArbG Aachen, Urteil vom 12.3.2024, 2 Ga 6/24, PM 1/24

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Neutralitätsgebot: Verwaltung muss keine sichtbaren Religionssymbole dulden

Eine öffentliche Verwaltung kann das sichtbare Tragen von Zeichen, die weltanschauliche oder religiöse Überzeugungen erkennen lassen, verbieten, um ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen. Eine solche Regel ist nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal dieser Verwaltung angewandt wird und sich auf das absolut Notwendige beschränkt. So sieht es der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Verbot eines islamischen Kopftuchs

Eine belgische Gemeinde hatte einer Bediensteten, die als Büroleiterin ganz überwiegend ohne Publikumskontakt tätig ist, untersagt, am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch zu tragen. Anschließend änderte die Gemeinde ihre Arbeitsordnung und schrieb in der Folge ihren Arbeitnehmern strikte Neutralität vor: Das Tragen von auffälligen Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit verbot sie allen Arbeitnehmern, auch denen ohne Publikumskontakt. Die Büroleiterin fühlte sich diskriminiert und in ihrer Religionsfreiheit verletzt.

Lag Diskriminierung vor?

Dem mit dem Rechtsstreit befassten Arbeitsgericht (ArbG) Lüttich stellt sich die Frage, ob die von der Gemeinde aufgestellte Regel der strikten Neutralität eine gegen das Unionsrecht verstoßende Diskriminierung begründet. Der EuGH antwortete, dass die Politik der strikten Neutralität, die eine öffentliche Verwaltung ihren Arbeitnehmern gegenüber durchsetzen will, um bei sich ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen, als durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann.

Wertungsspielraum der Mitgliedsstaaten, wie „Neutralität“ ausgestaltet wird

Ebenso gerechtfertigt ist die Entscheidung einer anderen öffentlichen Verwaltung für eine Politik, die allgemein und undifferenziert das Tragen von sichtbaren Zeichen u. a. weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen, auch bei Publikumskontakt, gestattet, oder ein Verbot des Tragens solcher Zeichen beschränkt auf Situationen, in denen es zu Publikumskontakt kommt. Die Mitgliedsstaaten und die unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Einheiten verfügen über einen Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes, die sie in dem für sie spezifischen Kontext am Arbeitsplatz fördern wollen. Dieses Ziel muss aber in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, und die zu seiner Erreichung getroffenen Maßnahmen müssen sich auf das absolut Notwendige beschränken. Es ist Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt sind.

Quelle | EuGH, Urteil vom 28.11.2023, C-148/22, Abruf-Nr. 241009 unter www.iww.de

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Baurecht

Gewährleistung: Verhandlungen können die Verjährung hemmen

Die Regelverjährungsfrist beim Werkvertrag für Planung und Bauüberwachung beträgt fünf Jahre. Doch Achtung: Diese Frist kann durch eine sog. Hemmung verlängert werden. Die Folge: Planer und Architekten können länger in der Gewährleistung bleiben und unter Umständen in Anspruch genommen werden. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Köln.

Ernsthafter Meinungsaustausch erforderlich

Voraussetzung: Die Verjährung hemmende Verhandlungen erfordern einen ernsthaften Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen.

Nicht ausreichend: bloße Erklärungen

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen nicht die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Ein solcher Meinungsaustausch hemmt die Verjährung nicht.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 2.3.2023, 19 U 55/22; rechtskräftig durch BGH, Beschluss vom 8.11.2023, VII ZR 54/23

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Unterlassungsklage: Anwohner müssen Kirchenglocken dulden

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat entschieden: Eine Kirche muss das Zeitschlagen der Kirchenglocken nicht unterlassen.

Jede Viertelstunde läuten die Glocken

Der Kläger wohnt in der Nähe einer katholischen Pfarrkirche in einer im Landkreis Kelheim gelegenen Marktgemeinde. Die Pfarrkirche läutet neben dem liturgischen Läuten auch mit Zeitschlagen zwischen 6:00 Uhr und 22:00 Uhr zu jeder Viertelstunde. Der Anwohner begehrte von der beklagten Kirchenstiftung das Unterlassen des aus seiner Sicht zu lauten Glockengeläuts. Das Zeitschlagen der Kirchenglocken, das bei ihm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führe, sei eine unzumutbare Lärmbelästigung.

Zumutbarkeitsgrenze nicht überschritten

Das Landgericht (LG) hatte in erster Instanz die Unterlassungsklage des Anwohners abgewiesen, weil es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung kam, dass die durch das Zeitläuten verursachten Geräuscheinwirkungen nicht die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten. Ein gerichtlich beauftragter Sachverständiger hatte Geräuschmessungen vor Ort vorgenommen. Nach seinem Gutachten hält das beanstandete Glockengeläut die maßgeblichen Richtwerte der Verwaltungsvorschrift der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) ein.

Kläger war erst vor Kurzem zugezogen

Zudem berücksichtigte das LG sowohl die Ortsüblichkeit und Art und Weise des Glockenläutens als auch den Umstand, dass der Kläger erst vor wenigen Jahren und in Kenntnis der dort seit 125 Jahren befindlichen Pfarrkirche in das Wohnhaus eingezogen war. Gegen das klageabweisende Urteil legte der Kläger Berufung zum OLG ein.

Oberlandesgericht konnte keine Fehler des Landgerichts erkennen

Das OLG hat das Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen. Die Nachprüfung des Urteils hat weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht Fehler ergeben, insbesondere hatte das Erstgericht in seiner angefochtenen Entscheidung alle für die Bewertung der Zumutbarkeit maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Auch nach Auffassung des OLG muss der Kläger im konkreten Einzelfall das Zeitschlagen der Kirchenglocken dulden.

Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.

Quelle | OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 15.2.2024 und Zurückweisungsbeschluss vom 10.4.2024, 4 U 2356/23, PM 15/24

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Architektenleistung: Objektüberwachung beinhaltet auch Wärmedämmarbeiten

Stichprobenartige Prüfungen von Wärmedämmarbeiten reichen nicht aus, um eine mangelfreie Objektüberwachung zu gewährleisten. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg.

Im konkreten Fall hatte der Architekt nicht bemerkt, dass nur 8 cm PUR-Dämmung statt der vertraglich geschuldeten 9 cm eingebaut wurden. Das hätte aber sogar eine Stichprobe ergeben müssen, so das OLG. Es machte den Architekten daher für den Austausch der Dämmung haftbar.

Es sprach Klartext: Umfang und Intensität der geschuldeten Überwachung hängen von den Anforderungen der Baumaßnahme sowie den konkreten Umständen ab. Einfache Arbeiten bedürfen keiner Überwachung. Demgegenüber unterliegt die Überwachung von Wärmedämmarbeiten höheren Anforderungen.

Die Entscheidung ist jetzt rechtskräftig.

Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 8.11.2022, 2 U 10/22

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Vertragsrecht: Wann und wie werden neue Planliefer- oder Ausführungsfristen verbindlich vereinbart?

Vertragsfristen können nicht nur bei Abschluss des Bauvertrags, sondern auch während der Bauausführung vereinbart werden. So kann einem gestörten Bauablauf dadurch Rechnung getragen werden, dass überholte oder nicht mehr einhaltbare Fristen durch eine Terminplanfortschreibung einvernehmlich angepasst werden, wobei diese Fortschreibung wiederum Vertragsfristen und unverbindliche Kontrollfristen beinhalten kann. Das hat das Kammergericht (KG) Berlin klargestellt.

Beachten Sie | Die Entscheidung des KG gilt auch für Planungsterminpläne. Sie ist durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den BGH rechtskräftig geworden.

Quelle | KG Berlin, Urteil vom 24.01.2023, 27 U 154/21; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 25.10.2023, VII ZR 20/23

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Familien- und Erbrecht

Bundesgerichtshof: Kontakt außerhalb festgelegter Umgangszeiten

Oft weist das Familiengericht einem Elternteil für „reguläre Betreuungszeiten“ einerseits und die Ferienzeiten andererseits bestimmte Tage unter Festlegung konkreter Übergabezeiten zu. Danach ist der Elternteil verpflichtet, die Kinder pünktlich vom Kindergarten, der Schule bzw. am Wohnsitz des anderen Elternteils abzuholen und pünktlich zurückzubringen. Bei schuldhafter Zuwiderhandlung gegen diese Umgangsregelung droht das Gericht dann im Beschluss Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft an. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in einen solchen Fall der Zuwiderhandlung Klartext gesprochen.

Umgangsregelung muss „vollstreckungsfähigen“ Inhalt haben

Voraussetzung für die Verhängung eines Ordnungsmittels ist eine Umgangsregelung mit vollstreckungsfähigem Inhalt, folglich eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts. Einer Umgangsregelung, durch die der Umgang auf einen bestimmten Rhythmus festgelegt wird oder dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zugewiesen werden, ist somit nicht mit für eine Vollstreckung hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sich der Umgangsberechtigte eines Umgangs mit dem Kind in der übrigen Zeit enthalten muss. Ein solches Gebot muss sich stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben, um taugliche Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein.

Begriff des Umgangs ist umfassend zu verstehen

Der BGH stellt klar: Der Begriff des Umgangs ist umfassend zu verstehen und schließt jegliche Art von Kontakt mit dem Kind ein (einschl. flüchtiger, fernmündlicher, schriftlicher oder nonverbaler Kommunikation). Der Gesetzgeber hat auf den Begriff „persönlicher Umgang“ verzichtet und auch niedrigschwellige Kontaktaufnahmen, wie Brief- und Telefonkontakte, ausdrücklich einbezogen.

Unter Berücksichtigung des Konkretheitsgebots für die Vollstreckbarkeit von Umgangsregelungen verneint der BGH, dass aus einer positiv formulierten Umgangsregelung implizit ein Verbot von Kontakten außerhalb der geregelten Zeiten abgeleitet werden kann. Soll jeglicher Kontakt außerhalb der festgelegten Umgangszeiten unterbunden werden, muss sich ein an den umgangsberechtigten Elternteil gerichtetes Unterlassungsgebot, sich der Kontaktaufnahme mit dem Kind in der ihm nicht zum Umgang zugewiesenen Zeit zu enthalten, stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben, um Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein. Ansonsten scheitert die Verhängung von Ordnungsmitteln am vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.

Quelle | BGH, Beschluss vom 21.2.2024, XII ZB 401/23

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Gemeinschaftliches Testament: Beide Ehegatten müssen testierfähig sein

Zur Errichtung eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments müssen beide Ehegatten testierfähig sein. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Celle.

Das war geschehen

Die beiden Ehegatten hatten sich durch gemeinschaftliches Testament gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Dieses Testament wurde von der Ehefrau eigenhändig geschrieben und unterschrieben sowie vom Erblasser eigenhändig unterschrieben. Mit einer Ergänzung dieses Testaments, errichtet in gleicher Weise, ordneten die Ehegatten später eine Vor- und Nacherbschaft dergestalt an, dass der überlebende Ehegatte befreiter Vorerbe und ihre gemeinsame Tochter Nacherbin sein sollte. Bereits zwei Jahre vor dieser Ergänzung des Testaments wurde die Ehefrau wegen einer Demenzerkrankung in einem Pflegeheim untergebracht. Ein Jahr vor der Ergänzung des gemeinschaftlichen Testaments tötete der Erblasser seine Schwester und wurde in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht, in der er sich das Leben nehmen wollte.

Nach dessen Tod beantragte die überlebende Ehefrau, vertreten durch ihre Tochter, einen Erbschein des Inhalts, dass sie alleinige befreite Vorerbin des Erblassers geworden sei und die Nacherbfolge der Tochter nach ihrem Tod als Vorerbin eintrete. Sie hat sich zur Begründung ihres Antrags auf die beiden letzten gemeinschaftlichen Testamente gestützt. Der gemeinsame Sohn der Ehegatten ist dem Antrag entgegengetreten. Er begründete dies damit, sowohl der Erblasser als auch die Antragstellerin seien zum Zeitpunkt der Errichtung beider Testamente testierunfähig gewesen.

Nachlassgericht deutete Testamente um

Das Nachlassgericht ist nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Überzeugung gelangt, dass die Antragstellerin testierunfähig gewesen ist. Bezogen auf den Erblasser hat sich hingegen nicht die Überzeugung von einer Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung der vorgenannten Testamente gebildet. Die Testamente könnten jeweils in ein Einzeltestament des Erblassers umgedeutet werden, weshalb es die für die Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet hat. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Sohn der Ehegatten mit der Beschwerde und begehrte die Zurückweisung des Erbscheinsantrages.

So sah es das Oberlandesgericht

Das OLG hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückgewiesen und ausgeführt, dass die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen nicht für festgestellt zu erachten seien.

Ein wirksames gemeinschaftliches Ehegattentestament setze voraus, dass beide Ehegatten bei der Testamentserrichtung testierfähig sind. Ein Testament könne nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Da ein gemeinschaftliches Testament vom Willen beider Eheleute getragen sei, erfordere eine wirksame Verfügung von Todes wegen die Testierfähigkeit eines jeden Ehegatten. Daran fehle es bei einem Ehegatten, weshalb der Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückzuweisen sei.

Eine Umdeutung des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament des Erblassers komme hier nicht in Betracht, weil der Erblasser die getroffenen Anordnungen nicht eigenhändig geschrieben, sondern den von der Antragstellerin geschriebenen Text nur unterschrieben habe. Die Umdeutung als Einzeltestament komme hier nur für den Teil in Betracht, der die Verfügung eigenhändig – hier also die Antragstellerin – niedergelegt habe.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 14.3.2024, 6 W 106/23

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Mietrecht und WEG

Kostenerstattungsanspruch: Tatortreinigung im Mietobjekt: Mieter muss zahlen

Der Vermieter darf, um vom Mieter verursachte Blutlachen im Treppenhaus und Eingangsbereich zu beseitigen, eine – teure – Spezialfirma für die Reinigung eines Tatorts nach Suizid oder Unfall mit den Reinigungsarbeiten beauftragen. Er muss auch nicht zuvor den Mieter beauftragen, um die Kosten gering zu halten, wenn der Mieter nicht über die ausreichende Qualifikation verfügt, das möglicherweise infektiöse Blut ausreichend gründlich zu entfernen. So hat es das Amtsgericht (AG) Frankfurt/Main entschieden.

Mieter hatte Blutspuren versuracht

Der Wohnungsmieter stand unter Betreuung. Eines Tages trat er nach einer Verletzung stark blutend aus seiner Wohnung in das Treppenhaus und anschließend durch die Haustür nach draußen. Dabei hinterließ er massive Blutspuren. Daraufhin beauftragte die Vermieterin eine Spezialfirma mit der Reinigung und Desinfektion des Treppenhauses und des Eingangsbereichs. Die Vermieterin stellte dem Mieter über seinen Betreuer die Kosten in Höhe von rd. 1.930 Euro in Rechnung. Der Mieter zahlte nicht, daher klagte die Vermieterin.

Kostenerstattungsanspruch des Vermieters

Mit Erfolg: Die Vermieterin habe gegen den Mieter einen Kostenerstattungsanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 280 Abs. 1 BGB) in Verbindung mit dem Mietvertrag, so das AG. Der Mieter habe dadurch, dass er nach einer Verletzung stark blutend durch das Treppenhaus und durch die Hauseingangstür ging und dabei größere Mengen Blut ungehindert auf den Boden laufen ließ, schuldhaft gegen den Mietvertrag verstoßen. Die Vermieterin war verpflichtet, unverzüglich die Blutspuren beseitigen zu lassen, zum einen, um die Gefahr von Stürzen infolge des Ausrutschens auf den Blutlachen zu vermeiden und zum anderen, um einer Infektionsgefahr bei Kontakt mit dem Blut entgegenzutreten.

Sie habe den Mieter nicht selbst beauftragen können, um die Kosten gering zu halten, da dieser nicht über die ausreichende Qualifikation verfügte, das möglicherweise infektiöse Blut ausreichend gründlich zu entfernen. Zudem hätte die Entfernung nicht unverzüglich erfolgen können, da der Mieter offenkundig verletzt war. Die Vermieterin habe auch nicht gegen eine ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie ein Fachunternehmen für Tatortreinigung beauftragte. Sie war gehalten, sicherzustellen, dass keine Gefahr für Mitbewohner und Besucher bestehen bleibt, was nur durch ein spezialisiertes Reinigungsunternehmen gewährleistet war.

Vergleichsangebote nicht nötig

Es stellt auch keinen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, dass die Vermieterin keine (drei) Vergleichsangebote eingeholt hat. Denn sie musste unverzüglich tätig werden, um die Gefahrenquelle zu beseitigen.

Qualität der Fachfirma nicht „kriegsentscheidend“

Auch kommt es nicht darauf an, ob die von der Vermieterin beauftragte Fachfirma möglicherweise unsachgemäß oder unwirtschaftlich gearbeitet hat und dadurch höhere Kosten entstanden sind. Denn ein Schädiger muss solche Kosten auch dann ersetzen, wenn den Geschädigten kein Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft.

Quelle | AG Frankfurt/Main, Urteil vom 10.8.2023, 33 C 1898/23

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Mietminderung: Feuchtigkeitserscheinungen: Mangel auch in Altbauwohnung

Das Landgericht (LG) Paderborn hat in einem Mietrechtsstreit über Feuchtigkeitserscheinungen in einer Altbauwohnung Klartext gesprochen. Es gab dem Mieter überwiegend recht.

Baujahr ändert nichts an Mangel

Das LG: Erheblich durchfeuchtete Wände mit sichtbaren Salzausblühungen und feuchtigkeitsbedingt zerbröselndem Putz stellen auch in einer Altbauwohnung aus den 1920er Jahren einen Mietmangel dar. Dabei hat das LG berücksichtigt, dass die Wände teils erst ab einer Höhe von ca. einem Meter über dem Fußboden „normal“ trockene Messwerte zeigen und die Feuchtigkeit ausschließlich bauliche Ursachen hat.

Anspruch auf Beseitigung und Minderung

Der klagenden Mieterin sprach das LG deshalb einen Anspruch gegen ihren Vermieter auf Beseitigung der Feuchtigkeit in den Wohnungswänden zu. Es nahm aufgrund der feuchten Wände und den damit einhergehenden Nachteilen u.a. für Wohnklima und Optik – anders als das erstinstanzliche Gericht – zudem eine erhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs an und bejahte ein Mietminderungsrecht der Klägerin.

Keinen Mangel sah das LG hingegen im konkreten Fall in den ebenfalls durchfeuchteten Kellerwänden des Mietobjekts. Daher wies es die Berufung der Klägerin insofern zurück.

Quelle | LG Paderborn, Urteil vom 6.3.2024, 1 S 72/222, PM vom 6.3.2024

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WEG: Erhaltungslast darf auf Miteigentümer übertragen werden

Die Wohnungseigentümer können vereinbaren, dass nicht die Gemeinschaft der Eigentümer, sondern ein einzelner Wohnungseigentümer geschlossene Bereiche oder Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, z. B. Dachterrassen, selbstständig erhalten muss. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. Das AG: Weist die Teilungsordnung einzelnen Eigentümern die Erhaltungslast für die Balkon- und Dachterrasseninnenseiten einschließlich Geländer zu, umfasst diese Erhaltungslast die Geländer insgesamt und nicht nur deren Innenseiten.

Die Eigentümer einer Wohnung mit Dachterrasse verlangten von der Gemeinschaft die Erneuerung des Brüstungsgeländers. Laut Teilungserklärung sind den Eigentümern die erforderlichen Reparaturen, u. a. der Balkon- und Dachterrasseninnenseiten einschließlich Geländer auferlegt worden. Die Gemeinschaft lehnte es ab, das Geländer zu erneuern.

Vor Gericht hatten die Eigentümer keinen Erfolg. Ein Anspruch darauf, dass dem Beschlussantrag exakt mit dem zur Abstimmung gestellten Inhalt zugestimmt werden müsste, bestehe nicht. Das AG berief sich bei dieser Aussage auf den Bundesgerichtshof (BGH). Da noch zwei weitere Angebote vorlagen, bestand schon aus diesem Grund keine sog. Ermessensreduktion auf null. Das bedeutet, die Gemeinschaft musste nicht zwingend im Sinne der Eigentümer entscheiden. Zudem unterscheide die Teilungserklärung zwischen den Außenseiten lediglich bezüglich der Fenster und Türen sowie der Balkone und Dachterrassen selbst. Hinsichtlich des Geländers werde nicht differenziert zwischen Innen und Außen. Vielmehr werde diese insgesamt als den Balkon- oder Dachterrassen zugehörig beschrieben.

Quelle | AG München, Urteil vom 11.4.1024, 1293 C 18170/23

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Verbraucherrecht

Schmerzensgeldforderung: Kleideranprobe: das „ins Auge springende“ Preisschild

Das Landgericht (LG) München I hat die Klage einer Kundin gegen einen Outlet-Betreiber auf Schmerzensgeld abgewiesen. Die Kundin hatte sich bei der Kleideranprobe durch ein Preisschild eine Augenverletzung zugezogen.

Bei der Kleideranprobe am Preisschild verletzt

Im April 2023 probierte die klagende Kundin im Outlet Store der Beklagten ein T-Shirt. Dabei verletzte sie sich durch ein an diesem T-Shirt angebrachtes Preisschild am rechten Auge.

Schmerzensgeld gefordert

Die Kundin hat gegen den Betreiber des Outlet Stores deswegen Klage erhoben und Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000 Euro gefordert. Der Betreiber des Outlet Stores habe die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt, da das Preisschild in seiner Ausgestaltung aufgrund fehlender Sicherung und Erkennbarkeit gefährlich gewesen sei. Das Preisschild habe ihr bei der Anprobe ins Auge geschlagen. Sie habe dadurch eine erhebliche Verletzung am rechten Auge erlitten. Es sei erforderlich gewesen, an dem verletzten Auge eine Hornhauttransplantation durchzuführen. Bis heute leide sie unter Schmerzen und sei weiterhin in ihrer Sicht eingeschränkt sowie besonders blendempfindlich.

Preisschilder vorgeschrieben

Der Betreiber des Outlet Stores hat eingewandt, bei dem verwendeten Preisschild handle es sich um ein übliches Standardpreisschild in der Größe von ca. 9 cm x 5 cm mit abgerundeten Ecken und einer flexiblen Rebschnur. Die Preisschilder seien durch ihre Größe und das Gewicht des Bündels deutlich fühlbar gewesen. Vergleichbare Fälle von aufgetretenen Verletzungen seien ihm nicht bekannt. Zudem sei es gesetzlich vorgeschrieben, entsprechende Preisschilder an den Waren anzubringen.

Amtsgericht weist Klage ab

Das AG hat die Klage abgewiesen. Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt stehe der Kundin ein Anspruch auf Schmerzensgeld gegenüber dem Betreiber des Outlet Stores zu. Wenn sich im Zuge einer Kleideranprobe in einem Outlet eine Kundin durch ein übliches Preisschild am Auge verletzt, hafte der Betreiber dafür nicht, so das AG.

Zur Begründung hat das AG ausgeführt, sichernde Maßnahmen seien nur in dem Maße geboten, in dem sie ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Dabei müsse der Geschäftsbetreiber nicht für alle denkbar entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es komme vielmehr auch entscheidend darauf an, welche Möglichkeiten der Geschädigte hat, sich vor erkennbaren Gefahrquellen selbst zu schützen.

Im hier entschiedenen Einzelfall habe der Betreiber des Outlet Stores den an ihn gerichteten Verkehrssicherungspflichten Genüge getan. Für die Kundin sei das Vorhandensein eines Preisschildes erwartbar und das Treffen eigener Sicherheitsvorkehrungen zumutbar gewesen.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung werfe ein Kunde bereits vor der Anprobe einen Blick auf das Preisschild und könne daher ohne Weiteres selbst dafür sorgen, dass er sich bei der Anprobe nicht verletze. Die Forderung der Kundin, gesondert auf das Vorhandensein von Preisschildern an der Kleidung hinzuweisen, hielt das Gericht für lebensfremd und nicht zumutbar.

Quelle | LG München I, Urteil vom 28.5.2024, 29 O 13848/23, PM 5/24

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Kaufvertrag: Vertraglicher Gewährleistungsausschluss bei Kauf eines 40 Jahre alten Gebrauchtwagens

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit der Frage befasst, ob sich der Verkäufer eines fast 40 Jahre alten Fahrzeugs mit Erfolg auf einen vertraglich vereinbarten allgemeinen Gewährleistungsausschluss berufen kann, wenn er mit dem Käufer zugleich vereinbart hat, dass die in dem Fahrzeug befindliche Klimaanlage einwandfrei funktioniere, und der Käufer nunmehr Mängelrechte wegen eines Defekts der Klimaanlage geltend macht.

Das war geschehen

Der Kläger erwarb im März 2021 im Rahmen eines Privatverkaufs von dem Beklagten zu einem Kaufpreis von 25.000 Euro einen erstmals im Juli 1981 zugelassenen Mercedes-Benz 380 SL mit einer Laufleistung von rund 150.000 km. In der Verkaufsanzeige des Beklagten auf einer Onlineplattform hieß es unter anderem: „Klimaanlage funktioniert einwandfrei. Der Verkauf erfolgt unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“.

Im Mai 2021 beanstandete der Kläger, dass die Klimaanlage defekt sei. Nachdem der Beklagte etwaige Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hatte, ließ dieser die Klimaanlage – im Wesentlichen durch eine Erneuerung des Klimakompressors – instand setzen. Mit der Klage verlangt er von dem Beklagten den Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von rund 1.750 Euro.

So sah es der Bundesgerichtshof

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren erfolgreich weiter. Der BGH hat entschieden, dass der Beklagte sich gegenüber dem hier im Streit stehenden Schadenersatzanspruch des Klägers nicht auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen kann.

Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist in den Fällen einer (ausdrücklich oder stillschweigend) vereinbarten Beschaffenheit ein daneben vereinbarter allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit, sondern nur für sonstige Mängel gelten soll. Eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung des Gewährleistungsausschlusses kommt nicht in Betracht.

Auf den Wortlaut der Internetanzeige kam es an

Der Umstand, dass der Beklagte nicht erst im schriftlichen Kaufvertrag, sondern bereits in seiner Internetanzeige – unmittelbar im Anschluss an die Angabe „Klimaanlage funktioniert einwandfrei“ – erklärt hat, dass der Verkauf „unter Ausschluss jeglicher Sachmängelhaftung“ erfolge, erlaubt es nicht, den vereinbarten Gewährleistungsausschluss dahingehend zu verstehen, dass er sich auf die getroffene Beschaffenheitsvereinbarung über die (einwandfreie) Funktionsfähigkeit der Klimaanlage erstreckt. Denn gerade das – aus Sicht eines verständigen Käufers – gleichrangige Nebeneinanderstehen einer Beschaffenheitsvereinbarung einerseits und eines Ausschlusses der Sachmängelhaftung andererseits gebietet es nach der Rechtsprechung des BGH, den Gewährleistungsausschluss als beschränkt auf etwaige, hier nicht in Rede stehende Sachmängel aufzufassen, da die Beschaffenheitsvereinbarung für den Käufer andernfalls – außer im (hier nicht gegebenen) Fall der Arglist des Verkäufers – ohne Sinn und Wert wäre.

Vereinbarte Beschaffenheit kann nicht im Anschluss wieder ausgeschlossen werden

Insbesondere aber rechtfertigen in einem Fall, in dem – wie hier – die Funktionsfähigkeit eines bestimmten Fahrzeugbauteils den Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung bildet, weder das (hohe) Alter des Fahrzeugs beziehungsweise des betreffenden Bauteils, noch der Umstand, dass dieses Bauteil typischerweise dem Verschleiß unterliegt, die Annahme, dass ein zugleich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss auch für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gelten soll. Diese Umstände (Alter des Fahrzeugs, Verschleißanfälligkeit eines Bauteils) können zwar für die übliche Beschaffenheit eines Gebrauchtwagens von Bedeutung sein. Sie spielen jedoch weder für die Frage einer konkret vereinbarten Beschaffenheit noch für die hier maßgebliche Frage eine Rolle, welche Reichweite ein allgemeiner Gewährleistungsausschluss im Fall einer vereinbarten Beschaffenheit hat. Vielmehr findet der Grundsatz, dass ein vertraglich vereinbarter allgemeiner Gewährleistungsausschluss die Haftung des Verkäufers für einen auf dem Fehlen einer vereinbarten Beschaffenheit beruhenden Sachmangel unberührt lässt, auch dann uneingeschränkt Anwendung, wenn der Verkäufer die Funktionsfähigkeit eines Verschleißteils eines Gebrauchtwagens zugesagt hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 10.4.2024, VIII ZR 161/23, PM 82/2024

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Verkehrsrecht

Geschwindigkeitsverstoß: Wenn der Messbeamte die Verkehrsüberwachungsnormen nicht kennt

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat sich mit dem Einwand eines Betroffenen gegen die Festsetzung der Regelgeldbuße bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auseinandergesetzt. Der Betroffene bemängelte, der Messbeamte habe die nach der (niedersächsischen) Richtlinie für die Geschwindigkeitsüberwachung aufgeführte Qualifikation nicht nachweisen können. Das habe schuldmindernd berücksichtigt werden müssen.

Messbeamter kannte Verwaltungsvorschriften nicht

Das OLG hat die Unkenntnis des Messbeamten von Verwaltungsvorschriften als bedeutungslos angesehen. Als reine Verwaltungsvorschrift entfaltet diese Richtlinie keine Außenwirkung.

Grundsatz: Beamte müssen Vorschriften beachten

Zwar dürfen die Verkehrsteilnehmer erwarten, dass sich die Verwaltungsbehörde über Richtlinien zur Handhabung des Verwaltungsermessens, die eine gleichmäßige Behandlung sicherstellen sollen, im Einzelfall nicht ohne sachliche Gründe hinwegsetzt. Bei Nichtbeachtung kann daher im Einzelfall der Schuldgehalt einer Tat geringer erscheinen.

Ausnahme: Abweichung hat keine Auswirkungen

Dies gilt aber nicht für jede Art von Abweichung von der Richtlinie. Eine Abweichung wirkt sich nur schuldmindernd aus, wenn ein Einfluss der Abweichung auf das Verhalten des Betroffenen oder das Messergebnis denkbar ist. Es ist aber gerade nicht denkbar, dass allein die fehlende Kenntnis des Messbeamten von den mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften das Verhalten des Betroffenen beeinflusst.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 19.1.2024, 2 ORbs 348/23

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Bundesgerichtshof: Verkehrsunfall: Neues zum Sachverständigenrisiko

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Grundsätze zum Werkstattrisiko auf überhöhte Kostenansätze eines Sachverständigen übertragen, den der Geschädigte mit der Begutachtung seines Fahrzeugs zur Ermittlung des unfallbedingten Schadens beauftragt hat.

Es ging um die sog. Corona-Pauschale

Bei einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach voll haftet, wurde ein Pkw beschädigt. Dessen Halter beauftragte die Klägerin, Inhaberin eines Sachverständigenbüros, mit der Begutachtung seines verunfallten Pkw und trat gleichzeitig seine diesbezüglichen Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Die Beklagte erstattete die Kosten für das Gutachten mit Ausnahme der von der Klägerin in Rechnung gestellten Position „Zuschlag Schutzmaßnahme Corona“ in Höhe von 20 Euro. Die Klägerin hat diese Rechnungsposition damit begründet, dass sie insbesondere Desinfektionsmittel, Einwegreinigungstücher und Einmalhandschuhe (sog. Corona-Pauschale) habe anschaffen müssen. Mit der Klage hat sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 20 Euro nebst Zinsen verlangt.

So entschieden die gerichtlichen Instanzen

Die Vorinstanzen waren der Auffassung, dass die sog. Corona-Pauschale vom Sachverständigen nicht gesondert in Rechnung gestellt werden dürfe. Das sah der BGH anders.

Dem Geschädigten stand dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagte auf Ersatz der Kosten des eingeholten Sachverständigengutachtens zu; denn er ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen. Dieser Anspruch ist durch die Abtretung auf das klagende Sachverständigenbüro übergegangen.

Auf ggf. überhöhte Kostenansätze eines Kfz-Sachverständigen sind die Grundsätze des BGH zum Werkstattrisiko übertragbar. Denn den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten sind nicht nur in dem werkvertraglichen Verhältnis mit einer Reparaturwerkstatt, sondern auch in dem werkvertraglichen Verhältnis mit einem Kfz-Sachverständigen Grenzen gesetzt. Dies gilt vor allem, sobald er den Gutachtensauftrag erteilt und das Fahrzeug in die Hände des Gutachters gegeben hat. Ersatzfähig im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger sind demnach auch die Rechnungspositionen, die ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise – unangemessen, mithin nicht zur Herstellung erforderlich sind. Bei einem Kfz-Sachverständigen, der sein Grundhonorar nicht nach Stunden, sondern nach Schadenshöhe berechnet, kommt ein für den Geschädigten nicht erkennbar überhöhter Ansatz z. B. auch in Betracht, wenn der Gutachter den Schaden unzutreffend zu hoch einschätzt. Diesbezügliche Mehraufwendungen sind dann ebenfalls ersatzfähig, ebenso Rechnungspositionen, die sich auf – für den Geschädigten nicht erkennbar – tatsächlich nicht durchgeführte Maßnahmen im Zusammenhang mit der Begutachtung beziehen. Allerdings kann der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs die Abtretung gegebenenfalls bestehender Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen verlangen.

Die Anwendung der genannten Grundsätze auf die Sachverständigenkosten setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Rechnung des Sachverständigen bereits bezahlt hat. Soweit er die Rechnung nicht beglichen hat, kann er – will er das Werkstattrisiko bzw. hier das Sachverständigenrisiko nicht selbst tragen – die Zahlung der Sachverständigenkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an den Sachverständigen verlangen, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger (dieses Risiko betreffenden) Ansprüche des Geschädigten gegen den Sachverständigen. Es gelten auch insoweit dieselben Grundsätze wie für die Instandsetzung des beschädigten Fahrzeugs.

Hat sich der Sachverständige die Schadenersatzforderung des Geschädigten in Höhe der Honorarforderung abtreten lassen, kann er sich als Zessionar allerdings nicht auf das Sachverständigenrisiko berufen.

Klägerin hatte sich Honorarforderung abtreten lassen

Da im vorliegenden Fall die Klägerin (Inhaberin des Sachverständigenbüros) aus abgetretenem Recht des Geschädigten vorgeht, kann sie sich nicht auf das Sachverständigenrisiko berufen. Sie muss vielmehr darlegen und ggf. beweisen, dass die mit der Pauschale abgerechneten Corona-Schutzmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und objektiv erforderlich waren und dass die Pauschale auch ihrer Höhe nach nicht über das Erforderliche hinausgeht.

Sachverständiger hat Entscheidungsspielräume über Hygienemaßnahmen

Bei der Beurteilung, ob die durchgeführten Corona-Schutzmaßnahmen objektiv erforderlich waren, ist zu berücksichtigen, dass einem Sachverständigen als Unternehmer gewisse Entscheidungsspielräume hinsichtlich seines individuellen Hygienekonzepts während der Corona-Pandemie zuzugestehen sind. Dabei geht es nicht nur um den Schutz des Sachverständigen und seiner Mitarbeiter vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus, sondern auch um den Schutz, den der Auftraggeber der jeweiligen Begutachtung während der Pandemie im Hinblick auf Maßnahmen, die in seinem Fahrzeug durchgeführt werden, üblicherweise bzw. aufgrund der Gepflogenheiten während der Pandemie erwarten darf; diesen Erwartungen zu entsprechen, ist ein berechtigtes Anliegen des Sachverständigen.

Berechnung der Corona-Pauschale war nicht zu beanstanden

Es begegnet auch keinen grundsätzlichen Bedenken, dass die Klägerin die Corona-Pauschale gesondert berechnet hat. Einem Kfz-Sachverständigen steht es frei, neben einem Grundhonorar für seine eigentliche Sachverständigentätigkeit Nebenkosten, auch in Form von Pauschalen, für tatsächlich angefallene Aufwendungen abzurechnen. Die betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob die für das Hygienekonzept in der Corona-Pandemie anfallenden Kosten gesondert ausgewiesen oder als interne Kosten in die Kalkulation des Grundhonorars „eingepreist“ werden, steht dabei dem Sachverständigen als Unternehmer zu; es darf nur nicht beides kumulativ erfolgen.

Quelle | BGH, Urteil vom 12.3.2024, VI ZR 280/22, PM 86/24

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Straßenverkehrssicherungspflicht: Gemeinde haftet bei Kollision mit schlecht sichtbarem Betonpoller

Wer in der Dunkelheit mit dem Auto auf einen Betonpoller auffährt, muss nicht unbedingt für seinen Schaden selbst aufkommen. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden.

Das war geschehen

Ein Autofahrer forderte von einer Gemeinde Schadenersatz. Er war bei Dunkelheit mit seinem Fahrzeug in den mittleren von drei etwa 40 Zentimeter hohen Betonpollern hineingefahren. Die Poller hatte die Gemeinde hinter dem Einmündungsbereich einer mit einem Sackgassenschild ausgewiesenen Straße als Durchfahrtssperre aufgestellt. Nur die äußeren beiden Poller waren dabei mit jeweils drei Reflektoren versehen. Das Landgericht (LG) hatte die Gemeinde teilweise zum Schadenersatz verurteilt. Der Autofahrer müsse sich lediglich 25 Prozent Mitverschulden anrechnen lassen.

Verstoß gegen die Straßenverkehrssicherungspflicht

Dies hat das OLG nun bestätigt. Die Gemeinde habe gegen ihre Straßenverkehrssicherungspflicht verstoßen. Sie hätte die der Verkehrsberuhigung dienenden Poller so aufstellen müssen, dass die Benutzer der Straße diese gut sehen könnten, wenn sie entsprechend sorgfältig führen. Dies hätte durch gut sichtbare Markierungen und ausreichende Beleuchtung erfolgen müssen. Das gelte vor allem, weil die Poller nur eine geringe Höhe (ca. 40 cm) hatten. Solche Poller seien aus dem Sichtwinkel eines Autofahrers nur schwer zu erkennen.

Sachverständigengutachten: Poller waren nicht zu erkennen

Das OLG hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach kam es zu dem Ergebnis, dass jedenfalls der mittlere und der rechte Poller unabhängig von der Geschwindigkeit und selbst bei Tageslicht für einen von rechts in die Straße einbiegenden Kraftfahrzeugfahrer nicht erkennbar waren. Dies habe der Sachverständige anhand von Videosequenzen belegt. Auch dem Sackgassenschild habe ein Autofahrer nicht entnehmen können, dass die Straße durch Poller versperrt sein würde. Die beklagte Gemeinde habe damit in eklatanter Weise gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen.

Quelle | OLG Braunschweig, Urteil vom 10.12.2018, 11 U 54/1

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Bundesgerichtshof: Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Die Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff (hier: „klimaneutral“) ist regelmäßig nur zulässig, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt.

Das war geschehen

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz herstellt. Die Produkte sind im Lebensmitteleinzelhandel, an Kiosken und an Tankstellen erhältlich. Die Beklagte warb in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage: „Seit 2021 produziert [die Beklagte] alle Produkte klimaneutral“ und einem Logo, das den Begriff „klimaneutral“ zeigt und auf die Internetseite eines „ClimatePartner“ hinweist. Der Herstellungsprozess der Produkte der Beklagten läuft nicht CO2-neutral ab. Die Beklagte unterstützt indes über den „ClimatePartner“ Klimaschutzprojekte.

Irreführend: Herstellungsprozess selbst nicht klimaneutral

Die Klägerin hält die Werbeaussage für irreführend. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden diese so, dass der Herstellungsprozess selbst klimaneutral ablaufe. Zumindest müsse die Werbeaussage dahingehend ergänzt werden, dass die Klimaneutralität erst durch kompensatorische Maßnahmen hergestellt werde. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Ersatz vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Beklagte zur Unterlassung der Werbung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten verurteilt. Die beanstandete Werbung ist irreführend im Sinne des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (hier: § 5 Abs. 1 UWG).

Die Werbung ist mehrdeutig, weil der Begriff „klimaneutral“ nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen von den Lesern der Fachzeitung – nicht anders als von Verbrauchern – sowohl im Sinne einer Reduktion von CO2 im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen Kompensation von CO2 verstanden werden kann. Im Bereich der umweltbezogenen Werbung ist – ebenso, wie bei gesundheitsbezogener Werbung – eine Irreführungsgefahr besonders groß und es besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff, wie „klimaneutral“, verwendet, muss deshalb zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend.

Irreführende Werbung relevant für Kaufentscheidung

Eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ war hier insbesondere erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellen, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig ist. Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.

Quelle | BGH, Urteil vom 27.6.2024, I ZR 98/23, PM 138/24

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Arbeitgeber: Inflationsausgleichsprämie muss nicht allen Arbeitnehmern ausgezahlt werden

Die gemäß Einkommensteuergesetz (hier: § 3 Nr. 11c EStG) geregelte Steuerfreiheit der (freiwilligen) Inflationsausgleichsprämie sieht keine Regelung vor, dass die Prämie an alle Arbeitnehmer ausgezahlt werden muss. Somit ist der Arbeitgeber nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen grundsätzlich nicht daran gehindert, die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie an weitere Bedingungen zu knüpfen.

Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt

Es verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn ein Arbeitgeber zur weiteren Bedingung der Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie macht, dass der Beschäftigte Teil seiner „active workforce“ ist, sodass z. B. Beschäftigte in der Passivphase der Altersteilzeit von der Prämie ausgeschlossen sind.

Steuerfreie Inflationsausgleichsprämie bis zu 3.000 Euro

Die freiwillige Inflationsausgleichsprämie kann vom 26.10.2022 bis Ende 2024 gewährt werden. Bei den 3.000 Euro handelt es sich um einen steuerlichen Freibetrag, der auch in mehreren Teilbeträgen ausgezahlt werden kann.

Begünstigt sind auch Zahlungen an Minijobber. Da die Zahlung steuer- und beitragsfrei ist, wird sie nicht auf die Minijobgrenze angerechnet.

Zusätzlich zum Arbeitslohn

Die Zahlungen müssen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erfolgen. Nach § 8 Abs. 4 EStG werden Leistungen nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

Quelle | LAG Niedersachsen, Urteil vom 21.2.2024, 8 Sa 564/23

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Broschüre zum Download: Steuertipps für Existenzgründer

Bei der Unternehmensgründung gibt es viele (steuerliche) Punkte zu beachten. Eine aktuelle Broschüre des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern (Stand: Juni 2024) kann hier Hilfestellung leisten.

Es werden insbesondere folgende Aspekte thematisiert:

Beachten Sie | Die Broschüre kann unter https://www.iww.de/s11558 als PDF-Datei heruntergeladen werden.

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Berechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2024 bis zum 31. Dezember 2024 beträgt 3,37 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht /  Basiszinssätze

Zeitraum Zinssatz
01.01.2024 bis 30.06.2024 3,62 Prozent
01.07.2023 bis 31.12.2023 3,12 Prozent
01.01.2023 bis 30.06.2023 1,62 Prozent
01.07.2022 bis 31.12.2022 -0,88 Prozent
01.01.2022 bis 30.06.2022 -0,88 Prozent
01.07.2021 bis 31.12.2021 -0,88 Prozent
01.01.2021 bis 30.06.2021 -0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020 -0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020 -0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019 -0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019 -0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018 -0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018 -0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017 -0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017 -0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016 -0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016 -0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015 -0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015 -0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent