September 2025
- September 2025
- Arbeitsrecht
- Baurecht
- Familien- und Erbrecht
- Mietrecht und WEG
- Verbraucherrecht
- Haftungsfrage: Badeunfall durch Wasserrutsche mit schweren gesundheitlichen Folgen
- Fernabsatz: Formale Anforderungen an die Widerrufsbelehrung
- Authentifizierungsverfahren: Keine Erstattung: Phishing bei Reisebuchung
- Spekulationssteuer: Privates Veräußerungsgeschäft bei Grundstücksübertragung mit Übernahme von Schulden innerhalb der 10-Jahresfrist
- Verkehrsrecht
- Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Arbeitsrecht
Eigenverschulden: Arbeitsunfähigkeit infolge Tätowierung: keine Entgeltfortzahlung
Eine Tätowierung ist heute typischer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Während sichtbare Tattoos im Arbeitsleben immer normaler werden, stellt sich damit aber zunehmend die Frage, wer eigentlich das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos nicht alles glatt verläuft. Dazu liegt nun eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein vor: Wer sich tätowieren lässt, erhält bei Komplikationen keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Das LAG bestätigt damit das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Flensburg.
Pflegekraft ließ sich tätowieren
Die als Pflegehilfskraft beschäftigte Klägerin ließ sich am Unterarm tätowieren. In der Folge entzündete sich die tätowierte Stelle. Die Klägerin wurde daraufhin für mehrere Tage krankgeschrieben. Die beklagte Arbeitgeberin lehnte die Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum ab.
Die Klägerin führte vor Gericht aus, dass sie ja nicht Entgeltfortzahlung für den Tätowierungsvorgang geltend mache, sondern für eine davon zu trennende zeitlich nachfolgende Entzündung der Haut. Ihr sei kein Verschulden vorzuwerfen. Es habe sich ein sehr geringes Risiko verwirklicht, das nur bei ein bis fünf Prozent der Fälle von Tätowierungen auftrete. Tätowierungen seien als Teil der privaten Lebensführung geschützt und mittlerweile weit verbreitet.
Die Arbeitgeberin entgegnete, die Klägerin habe bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt. Das Risiko einer sich anschließenden Infektion gehöre deshalb nicht zum normalen Krankheitsrisiko und könne dem Arbeitgeber nicht aufgebürdet werden.
Arbeitsunfähigkeit verschuldet
Das LAG ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Diese war zwar arbeitsunfähig krank. Sie hat die Arbeitsunfähigkeit aber verschuldet. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz handelt ein Arbeitnehmer immer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass sich ihr Unterarm entzündet. Dieses Verhalten stellt einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse dar. Sie hat selbst vorgetragen, in bis zu 5 % der Fälle komme es nach Tätowierungen zu Komplikationen in Form von Entzündungsreaktionen der Haut. Dies ist keine völlig fernliegende Komplikation. Bei Medikamenten wird eine Nebenwirkung als „häufig“ angegeben, wenn diese in mehr als einem, aber weniger als zehn Prozent der Fälle auftritt. Zudem ist die Komplikation in der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst angelegt.
Quelle | LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.5.2025, 5 Sa 284 a/24, PM vom 2.7.2025
Betriebsverfassungsgesetz: Keine Einigungsstelle bei Abmahnung eines Arbeitnehmers
Die Beschwerde einer Arbeitnehmerin über eine Abmahnung rechtfertigt es nicht, eine Einigungsstelle einzusetzen. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg.
Arbeitnehmerin fühlt sich zu Unrecht abgemahnt
Eine Arbeitnehmerin fühlte sich durch eine Abmahnung ungerecht behandelt. Der Betriebsrat sah das ebenso, konnte aber mit dem Arbeitgeber keine Einigung erzielen. Er beantragte daher, eine Einigungsstelle einzusetzen.
Landesarbeitsgericht: Einigungsstelle nicht zuständig
Das LAG erteilte ihm jedoch eine Absage. Es stellte klar, dass die Einrichtung einer Einigungsstelle vorliegend nicht in Betracht kommt, da diese offensichtlich unzuständig ist. Nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (hier: § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG) ist der Antrag auf Einrichtung einer Einigungsstelle zurückzuweisen, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Frage kommt.
Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (hier: § 85 Abs. 2 S. 1 BetrVG) kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen, wenn zwischen ihm und dem Arbeitgeber eine Meinungsverschiedenheit über die Berechtigung einer Beschwerde besteht. Deren Spruch ersetzt gemäß § 85 Abs. 2 S. 2 BetrVG die Einigung zwischen ArbG und Betriebsrat. Dies gilt jedoch gemäß § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG nicht, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers ist. Zur Durchsetzung solcher Rechtsansprüche dient allein der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten. Aus dieser Einschränkung folgt zugleich, dass die Einigungsstelle für die Behandlung von Beschwerden, die einen Rechtsanspruch betreffen, nicht zuständig ist.
Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.2.2025, 10 TaBV 29/25
Baurecht
Abhängige Beschäftigung: Einfache Arbeiten auf dem Bau sind keine selbstständige Tätigkeit
Bauarbeiter, die auf Baustellen einfache Arbeiten verrichten, einen festen Stundenlohn erhalten und am Markt nicht erkennbar unternehmerisch auftreten, sind regelmäßig abhängig Beschäftigte, für die die Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge entrichten müssen. Dies entschied in drei Urteilen das Hessische Landessozialgericht (LSG).
Baufirmen müssen Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen
Die Deutsche Rentenversicherung entschied in mehreren Fällen, dass Bauarbeiter abhängig beschäftigt sind. In zwei Fällen forderte sie nach entsprechenden Betriebsprüfungen von den im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Baufirmen Sozialversicherungsbeiträge in fünfstelliger Höhe. In einem weiteren Verfahren hatte sie zunächst über den Antrag auf Statusfeststellung zu entscheiden.
Weder schriftliche Verträge noch eigene Werkzeuge
In diesen Fällen hatten angeblich selbstständige Werkunternehmer auf Baustellen der jeweils klagenden Baufirma gearbeitet. Bei diesen Bauarbeitern handelte es sich um ausländische Staatsangehörige mit allenfalls geringen Deutschkenntnissen. Sie erledigten Abbrucharbeiten, Maurertätigkeiten und Pflasterarbeiten, sanierten Bäder oder arbeiteten im Trockenbau. Schriftliche Verträge oder Auftragsbestätigungen gab es nicht. Die Abrechnungen erfolgten auf Basis der aufgeschriebenen Stunden bei einem Stundenlohn zwischen 10 und 15 Euro. Die Materialien und Werkzeuge wurden bis auf Kleinwerkzeuge von den jeweiligen Baufirmen gestellt.
Scheinselbstständige statt Werkunternehmer
Das LSG folgte der Einschätzung der Rentenversicherung. In allen drei Verfahren liege Scheinselbständigkeit vor.
Bei einfachen, typischen Arbeitnehmerverrichtungen, die der Beschäftigte im Wesentlichen ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübe, spreche die Vermutung für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis. Die betroffenen Bauarbeiter seien jeweils in den Betrieb der klagenden Baufirma eingegliedert gewesen und hätten einfache Bauarbeiten getätigt, wie sie typischerweise abhängig Beschäftigte verrichteten.
Kein unternehmerisches Auftreten
Werkvertragstypische Vereinbarungen einer unternehmerischen Leistung hätten nicht festgestellt werden können. Zudem seien die angeblichen „Werkunternehmer“ schon aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse zu einem unternehmerischen Auftreten am Markt nicht in der Lage gewesen.
Zwischen den Baufirmen und den Bauarbeitern getroffene Vereinbarungen über eine (angeblich) selbstständige Tätigkeit seien nicht relevant und könnten die gesetzlich angeordnete Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.
Quelle | Hessisches LSG, Urteil vom 3.4.2025, L 8 BA 4/22, L 8 BA 62/22 und L 8 BA 64/21, PM vom 3.4.2025
Familien- und Erbrecht
Jurastudium: Ausbildungsunterhalt trotz langem Studium?
Das Oberlandesgericht (OLG) Bremen hat entschieden: Beim Ausbildungsunterhalt gibt es keine feste Studiendauerbegrenzung. Stattdessen sind individuelle Umstände zu berücksichtigen. So kann z. B. ein Jurastudium auch mit 16 Semestern angemessen sein. Voraussetzung: Es wurde ohne Verzögerungen und mit Auslandssemestern abgeschlossen.
Sohn begehrte Ausbildungsunterhalt
Ein Sohn nahm seinen Vater auf anteiligen Ausbildungsunterhalt zuletzt für sein Jurastudium in Anspruch. Diesen zahlte der Vater auch (nur) bis September 2022. Vorausgegangen war, dass der Sohn nach seinem Abitur schon mit 17 Jahren im Jahr 2016 unmittelbar das Studium aufgenommen hatte. In den Jahren 2018 und 2019 hatte er zwei Auslandssemester absolviert.
Im Oktober 2022 hatte er erste Examensklausuren absolviert und die Pflichtfachprüfung bestanden. Nach einem erfolgreichen Verbesserungsversuch schloss er im Oktober 2024 das Studium ab.
Sein Vater bezieht Einkünfte als Universitätsprofessor und weitere Einnahmen aus einer Nebentätigkeit sowie aus Vermietung. Er lebt mit seiner kein Einkommen erzielenden Ehefrau und einem gemeinsamen minderjährigen Kind zusammen. Die Mutter des Sohnes ist diesem quotal zum Unterhalt verpflichtet.
Das Amtsgericht (AG) verpflichtete den Vater, laufenden anteiligen Ausbildungsunterhalt an den Sohn neben der Mutter zu zahlen. Das wollte der Vater nicht. So „landete“ der Rechtstreit beim OLG. Dieses hielt dreierlei fest:
Keine verbindliche Höchstdauer für ein Studium
Es gibt keine verbindliche Höchstdauer eines Studiums, bei deren Überschreitung der Ausbildungsunterhalt zwingend entfällt. Welche Zeit im konkreten Fall für das Studium als angemessen und üblich anzusehen ist, ist vielmehr unter Berücksichtigung aller individuellen Umstände zu beurteilen. Die Regelstudienzeit, die Förderungshöchstdauer oder die durchschnittliche Studiendauer können dabei zwar als ungefähre Anhaltspunkte für eine übliche Studiendauer, jedoch nicht zur Begründung einer starren zeitlichen Grenze des Unterhaltsanspruchs herangezogen werden.
Auch 16 Semester können angemessen sein
Das den Ausbildungsunterhaltsanspruch prägende Gegenseitigkeitsprinzip schließt es nicht aus, dass im Einzelfall 16 Semester noch als angemessene Dauer für ein Jurastudium angesehen werden können, wenn zwei Auslandssemester absolviert worden sind, das Studium ohne erkennbare „Bummelei“ betrieben und im Alter von 25 Jahren abgeschlossen wird und der unterhaltspflichtige Elternteil in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt.
So ist der Haftungsanteil der Eltern zu ermitteln
Bei der Ermittlung des Haftungsanteils der Eltern für den Unterhalt ihres volljährigen studierenden Kindes ist ein dem Ausbildungsunterhaltsanspruch des Kindes im Rang vorgehender Familienunterhaltsanspruch des Ehegatten eines Elternteils dann nicht vorab vom Einkommen dieses Elternteils abzuziehen, wenn sich zwischen den Bedarfen des Kindes und des Ehegatten kein Missverhältnis ergibt.
Quelle | OLG Bremen, Beschluss vom 28.11.2024, 5 UF 23/24
Mietrecht und WEG
Betriebskosten: Anforderung von Abrechnungsbelegen ist kein Einsichtnahmeersuchen beim Vermieter
Das Landgericht (LG) Hanau hat entschieden: Die Anforderung von Belegkopien der Betriebskostenabrechnung ist kein wirksames Einsichtnahmeersuchen, wenn die Einsicht beim Vermieter zumutbar ist. Hierfür kommt es auf die Entfernung zur Mietwohnung an und nicht auf den Ort, an den der Mieter nach Mietende verzogen ist.
Muss Mieter Belege einsehen oder muss Vermieter sie zuschicken?
Nach Mietvertragsende verlangte der Mieter die geleistete Kaution zurück. Die dann noch erstellte Betriebskostenabrechnung wies eine Nachforderung auf, die der Vermieter mit der Kaution verrechnete. Der inzwischen über 120 km weit weggezogene Mieter widersprach der Abrechnung, forderte die Übersendung von Belegkopien, um die Abrechnung zu prüfen, und klagte auf Rückzahlung der gesamten Kaution. Er bringt vor, keine Kopien erhalten zu haben, zumal der Vermieter für eine Einsichtnahme bei diesem nun zu weit entfernt sei.
So sahen es die Gerichte
Das Amtsgericht (AG) hat die Klage in Höhe der verrechneten Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das LG entschied, dass die Einwände gegen die Abrechnung zu unkonkret waren, weil der Mieter die Belege nicht geprüft hat. Der Vermieter habe die Belegeinsicht auch nicht verweigert, weil der Mieter unzulässigerweise die Übersendung von Kopien verlangte. Da die Belegprüfung grundsätzlich beim Vermieter erfolgen muss, lag schon kein wirksames Einsichtnahmeersuchen vor.
Kein Ausnahmefall
Der Mieter könne auch nicht ausnahmsweise die Zusendung von Kopien fordern. Das sei zwar möglich, wenn der Vermieter zu weit entfernt ansässig ist. Hierfür komme es jedoch auf die Entfernung der Mietsache zu diesem an, wobei eine Anreise von Hanau nach Frankfurt zumutbar sei. Dass der Mieter nun über 120 km entfernt wohnt, liege hingegen in seinem Risikobereich und führe nicht zu einem Recht auf Übersendung von Kopien.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Quelle | LG Hanau, Beschluss vom 24.3.2025, 2 S 43/24, PM vom 8.5.2025
Räumungsklage: Vermietung von Hotel-Zimmerkontingenten an Kommune zur vorübergehenden Unterbringung Geflüchteter
Die Vermietung von Zimmerkontingenten an eine Kommune zur Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter überschreitet nicht den Nutzungszweck eines zum Hotelbetrieb gepachteten Gebäudes. Dies gilt jedenfalls, solange hiermit keine übermäßige Abnutzung oder sonstige Beeinträchtigung für den Verpächter verbunden ist, die über die übliche Nutzung durch Hotelgäste hinausgeht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die auf Räumung und Herausgabe des Hotels gerichtete Klage der Verpächterin abgewiesen.
War die Unterbringung Geflüchteter vertragswidrig?
Die Klägerin schloss 2016 mit der Beklagten einen Vertrag über Räumlichkeiten zum Betrieb des „Hotel F.“ in Gießen. Die Sache durfte vertraglich nur zum vereinbarten Nutzungszweck gebraucht werden. Seit Herbst 2022 buchte das Jugendamt der Stadt Gießen regelmäßig Zimmer für in seiner Obhut stehende Jugendliche. Nach Abmahnung kündigte die Klägerin 2023 fristlos. Sie hält die Unterbringung unbegleiteter Jugendlicher für vertragswidrig. Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt.
In der Berufung wies das OLG die Klage ab. Der Vertrag zwischen den Parteien sei nicht wirksam fristlos gekündigt worden. Die Beklagte habe nicht die Rechte der Klägerin durch eine unbefugte Überlassung an Dritte in erheblichem Maße verletzt. Dem Betrieb eines Hotels sei es immanent, dass es zu Beherbungsverträgen mit Dritten komme. Davon umfasst sei auch, dass bei der Buchung von Zimmerkontingenten durch Firmen o.Ä. ein ganzes Hotel faktisch durch denselben Mieter belegt werde. Der Abschluss von zeitlich begrenzten und auf bestimmte Zimmer bezogenen Beherbungsverträgen mit der Stadt Gießen sei folglich nicht unbefugt gewesen. Die Grenze zur unzulässigen Gebrauchsüberlassung wäre nur überschritten, wenn die Stadt das gesamte Gebäude übernommen und zu einem Flüchtlingsheim umgebaut hätte.
Keine Gefährdung der Mietsache, keine Pflichtverletzung
Eine zur Kündigung berechtigende Gefährdung der Mietsache durch unbegleitete minderjährige Geflüchtete sei nicht erkennbar. Es liege keine Pflichtverletzung wegen Überschreitung des Vertragszwecks vor, die zur Kündigung berechtigte. Die zeitweilige Vermietung zum o.g. Zweck überschreite nicht den Vertragszweck. Die vertraglich vereinbarte Nutzungsart als Hotel sei durch das Angebot von individueller Unterkunft, Service, Verpflegung und Nebenleistungen gekennzeichnet. Aufenthaltsdauer, -zweck und Motive für die Anmietung der Zimmer stellten keine entscheidenden Kriterien für die Bewertung als Hotelbetrieb dar. Es bestehe kein Anspruch darauf, „dass die Vermietung nur an einen bestimmten Personenkreis erfolgen darf, solange keine Beeinträchtigungen der Räumlichkeiten vorliegen bzw. zu befürchten sind“, unterstrich das OLG und es sei auch nicht vorgetragen, dass „Geflüchtete die Zimmer intensiver und nachlässiger nutzten als dies bei einer „normalen“ Vermietung an Hotelgäste der Fall wäre“.
Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.2.2025, 2 U 63/24, PM 21/25
Mietausfall: WEG: Schadenersatz bei unterlassener Dachsanierung
Kann ein Wohnungseigentümer wegen unterlassener Sanierung sein Sondereigentum nicht vermieten, besteht ein Schadenersatzanspruch, so das Landgericht (LG) Berlin II.
Ein Eigentümer einer Dachgeschosswohnung in der Anlage der Wohnungseigentümergemeinschaft forderte von der Gemeinschaft Schadenersatz. Grund: Die Gemeinschaft hatte eine Sanierung des Dachs unterlassen. Dadurch konnte der Eigentümer sein Sondereigentum nicht vermieten. Das LG sah einen Anspruch des Eigentümers nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch als gegeben an (hier: § 280 BGB), da es einen Verstoß gegen das Wohnungseigentumsrecht (hier: § 18 Abs. 2 WEG) erkannte. Die Gemeinschaft habe die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums pflichtwidrig unterlassen. Beschlussanträge des Eigentümers seien abgelehnt worden, die erforderliche Beschlussfassung sei erst sieben Wochen nach Erlass eines rechtskräftigen Urteils im Beschlussersetzungsklageverfahren erfolgt. Da es sich um die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung handele, greife § 556f BGB. Daher könne der Eigentümer/Vermieter eine Miete verlangen, die dem Marktwert nach der Modernisierung entspreche. Hinzu kämen die nutzlos aufgewandten Betriebskosten.
Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 4.7.2024, 56 S 19/23 WEG
Verbraucherrecht
Haftungsfrage: Badeunfall durch Wasserrutsche mit schweren gesundheitlichen Folgen
Haften das Schwimmbad und die Hersteller einer Wasserrutsche für gesundheitliche Schäden, wenn die Rutsche entgegen der Nutzungshinweise falsch verwendet wird? Dazu hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg eine klare Meinung.
Querschnittslähmung nach Nutzen der Wasserrutsche
Was als schöner Badeausflug mit der ganzen Familie geplant war, endete für einen 37-jährigen Mann tragisch: Er rutschte in Bauchlage, mit dem Kopf und den ausgestreckten Armen voran, eine Wasserrutsche hinunter. Im Wasser glitt er weiter und prallte mit dem Kopf gegen die Beckenwand. Im Krankenhaus wurde anschließend eine Querschnittslähmung diagnostiziert. Vor dem Treppenaufgang und im Startbereich der Rutsche waren jeweils ein Hinweisschild mit den zulässigen Rutschpositionen sowie an den Rutschen selbst Piktogramme angebracht, mit denen die Rutschhaltung „Kopf voran in Bauchlage“ untersagt wurde.
„Mit dem Kopf voran“: Rutschhaltung war untersagt
Der Mann verklagte unter anderem die Herstellerin der Wasserrutsche, die Betreiberin des Schwimmbads und die Inspektoren der Wasserrutsche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 335.000 Euro, weil die Wasserrutsche nicht hinreichend sicher gewesen sei. Das Landgericht (LG) Oldenburg wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, bei einer Wasserrutsche müsse nicht gewährleistet sein, dass eine Gefährdung auch bei unzulässiger Rutschhaltung des Benutzers ausgeschlossen sei. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein.
Oberlandesgericht: Mitverschulden zu berücksichtigen
Das OLG hat das erstinstanzliche Urteil des LG nun zum Teil geändert. Dem Kläger stehe dem Grunde nach ein Schadenersatzanspruch gegenüber der Betreiberin des Schwimmbads und der Herstellerin der Wasserrutsche zu. Er müsse sich jedoch ein Mitverschulden in Höhe von 50 % gegenüber der Herstellerin der Wasserrutsche und ein Mitverschulden in Höhe von 40 % gegenüber der Schwimmbadbetreiberin anrechnen lassen, weil er die Hinweisschilder und die Piktogramme zur korrekten Rutschhaltung missachtet habe.
Wasserrutsche hatte zu geringen Abstand zwischen Beckenrand und Rutschende
Die Wasserrutsche hätte so konzipiert sein müssen, dass nicht nur bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, sondern auch bei vorhersehbarem Fehlgebrauch, wie es in Schwimmbädern regelmäßig vorkomme, keine schwersten irreversiblen Verletzungen drohten. Auch wenn sich der Kläger den Hinweisschildern verschlossen habe, dürfe er als Benutzer einer Wasserrutsche in einem Spaßbad davon ausgehen, dass das Rutschende so konzipiert ist, dass ein Aufprall an der gegenüberliegenden Beckenwand auch bei Nutzung der Rutsche in Bauchlage ausgeschlossen ist. Ein Hinweisschild und Piktogramme zu verbotenen Rutschpraktiken seien keine ausreichende Maßnahme zur Gefahrenabwehr, wenn schwerste Verletzungen drohten. Der Gefahr des Kopfanstoßes hätte bereits bei Planung der Wasserrutsche durch einen größeren Abstand zwischen Beckenrand und Rutschende entgegengewirkt werden müssen.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 26.3.2025, 14 U 49/24, PM 7/25
Fernabsatz: Formale Anforderungen an die Widerrufsbelehrung
Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung bei Fernabsatzverträgen führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht nur 14 Tage ab Übergabe des Kaufgegenstands beträgt, sondern 14 Tage plus ein Jahr. Aber es kommt es auch auf die Details an. Dabei gilt: Wer die vom Gesetzgeber bereitgestellte Musterwiderrufsbelehrung wortgetreu benutzt, ist auf der sicheren Seite. Das zeigt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in beinahe schulbuchartiger Klarheit.
Verkäufer hatte keine Telefonnummer angegeben
Im Fall des BGH waren in der Widerrufsbelehrung als Versandhinweis für die Widerrufserklärung zwar die Postanschrift und die E-Mailadresse der verkaufenden Firma angegeben, nicht aber die Telefonnummer. Diese ist jedoch in der Musterwiderrufsbelehrung vorgesehen.
Nicht jede Abweichung hat gleich gravierende Folgen
Der BGH hat entschieden, dass nicht jede Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung zur fristverlängernden Fehlerhaftigkeit führt. Dazu der BGH: Die fehlende Angabe der Telefonnummer kann sich unter den gegebenen Umständen weder auf die Befähigung des Verbrauchers auswirken, den Umfang seiner aus dem Fernabsatzvertrag herrührenden Rechte (hier seines Widerrufsrechts) einzuschätzen, noch auf seine Entscheidung, den Vertrag zu schließen. Ihm wird auch nicht die Möglichkeit genommen, seine Rechte unter im Wesentlichen denselben Bedingungen wie bei Mitteilung der Telefonnummer auszuüben.
Denn die Versandfirma hat dem Verbraucher Kommunikationsmittel zur Verfügung gestellt, über die er schnell mit ihr in Kontakt treten und effizient mit ihr kommunizieren konnte, ohne dabei die Möglichkeit eines Telefonats auszuschließen (Telefonnummer war im Internetauftritt der Versandfirma zu finden) oder gar den Verbraucher insoweit irrezuführen.
Quelle | BGH, Urteil vom 25.2.2025, VIII ZR 143/24,
Authentifizierungsverfahren: Keine Erstattung: Phishing bei Reisebuchung
Wer seine SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergibt, hat keinen Anspruch auf Rückzahlung abgebuchter Kreditkartenbeträge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München.
Das war geschehen
Der Ehemann der Klägerin wollte am Samstag, den 6.1.2024 für seine Ehefrau und sich eine Reise im Internet buchen. Hierzu gab er auf der Website „Check24“ die Daten der Kreditkarte seiner Ehefrau ein. Kurz darauf erschien eine Mitteilung, dass ein Betrag in Höhe von 318,99 Euro vorgemerkt sei, ehe weitere Mitteilungen über vergleichbare Vormerkungen erschienen. Die Klägerin veranlasste noch am selben Abend telefonisch die Sperrung der Kreditkarte. Am Montag, den 8.1.2024 sind sechs unberechtigte Abbuchungen zu je 318,99 Euro für Giftcards vom Konto der Klägerin erfolgt, insgesamt 1.953,29 Euro.
Zur Autorisierung der Transaktionen fand das Mastercard 3D-Secure-Verfahren Anwendung. Zur Aktivierung dieses Verfahrens auf einem weiteren Gerät übersandte die beklagte Bank am 6.1.2024 eine SMS-TAN an die von der Klägerin bei der Beklagten hinterlegte Mobilfunknummer. Die an die Klägerin versandte SMS-TAN wurde dann auf dem weiteren mobilen Endgerät, auf dem auch die Banking-App freigeschaltet wurde, am 6.1.2024 eingegeben und damit das Secure-Verfahren aktiviert.
Die Klägerin behauptete, dass sie diese Abbuchungen nicht autorisiert habe. Bei der Buchung sei sie nicht nach PIN oder Passwort gefragt worden, sie habe auch nirgendwo eine SMS-Tan eingegeben. Es sei nicht erkannt worden, dass es sich möglicherweise um eine „Fake“-Website handelte.
Die beklagte Bank ging davon aus, dass die Frau die SMS-Tan an einen Dritten weitergegeben haben muss, da eine Freigabe der Buchungen anders technisch nicht möglich gewesen sei und verweigerte die Zahlung. Die Klägerin verklagte die Bank daher vor dem AG auf Rückzahlung der 1.953,29 Euro.
So sah das Amtsgericht den Sachverhalt
Das AG wies die Klage ab. Das Gericht ging zwar davon aus, dass die Abbuchungen nicht von der Klägerin autorisiert waren, sondern von Dritten getätigt wurden. Aufgrund der Beweisaufnahme war das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin die SMS-Tan grob fahrlässig an Dritte weitergegeben haben muss, weshalb ein Schadenersatzanspruch der Bank gegen die Klägerin in gleicher Höhe bestehe, mit dem die Bank aufgerechnet habe.
Das AG: Der Vortrag der Bank, dass diese in ihren Systemen feststellen konnte, dass das Mastercard 3D-Secure Verfahren per Banking App für die Kreditkarte der Klägerin am 6.1.2024 um 13:30 Uhr aktiviert wurde, und zur Aktivierung dieses Verfahrens auf dem neuen Gerät eine SMS-TAN an die im Vertrag hinterlegte Mobilfunknummer der Klägerin versandt wurde, wurde durch Inaugenscheinnahme des Mobiltelefons der Klägerin bestätigt. Dort befindet sich eine SMS vom 6.1.2024 13:29 Uhr mit dem Inhalt: „… ist Ihre TAN für die Aktivierung von Mastercard Identity Check vom 6.1.2024 13:44 Uhr.“ Der Eingang der SMS um 3:29 Uhr war im eingesehenen Nachrichtenverlauf um 13:29 Uhr dokumentiert und wird auch durch das vorgelegte IT-Protokoll belegt. Der Vortrag der Klägerin, keine SMS-TAN erhalten zu haben und dass ihr Mobiltelefon nicht in die Freigabe involviert war, erwies sich damit als widerlegt.
SMS-Tan war unzweifelhaft eingegeben worden
Die Bank hat unbestritten vorgetragen, dass aufgrund der manuellen Eingabe einer an die Mobilfunknummer der Klägerin versandten SMS-Tan ein Fremdzugriff technisch ausgeschlossen ist. Es wurde ein neues Gerät im Online-Banking der Klägerin als Freigabeinstrument im Rahmen des 2-Faktor-Authentifizierungsverfahrens hinterlegt. Hierzu war – technisch zwingend – die Eingabe der SMS-Tan erforderlich. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Klägerin durch Preisgabe der SMS-Tan Dritten eine Registrierung eines Geräts ermöglicht hat, wobei die Preisgabe persönlicher Sicherheitsmerkmale an Dritte gemäß den vertraglichen Bestimmungen untersagt war.
Verhalten der Klägerin war grob fahrlässig
Das Verhalten der Klägerin bewertet das Gericht als grob fahrlässig. Es ist eine Sache, wenn man seine Kreditkartendaten offenbart. Diese werden bei jeder Verwendung offenbart und können auch von der Karte abgelesen werden.
Die Weitergabe eines im Rahmen einer Zwei-Faktor-Autorisierung erhaltenden Zugangscodes kann nicht damit gleichgesetzt werden. Mit dieser Weitergabe hilft der Nutzer, die Sicherheitsarchitektur grundlegend auszuhebeln. Es muss jedem verständigen Nutzer solcher Kreditkarten klar sein, welches Risiko er mit der Weitergabe derartiger Daten schafft. Die Klägerin mag dies nicht bewusst getan haben und es mag auch nicht erinnerlich sein. Indessen lässt sich der Vorgang plausibel nicht anders erklären.
Quelle | AG München, Urteil vom 8.1.2025, 271 C 16677/24, PM 14/25
Spekulationssteuer: Privates Veräußerungsgeschäft bei Grundstücksübertragung mit Übernahme von Schulden innerhalb der 10-Jahresfrist
Wird ein Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen und übernimmt der neue Eigentümer die auf dem Grundstück lastenden Schulden, liegt ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.
Hintergrund : Private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt, unterliegen der Spekulationsbesteuerung nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 23 EStG).
Beachten Sie | Ausgenommen sind aber Wirtschaftsgüter, die
- im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder
- im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden.
Das war geschehen
Der Vater hatte im Jahr 2014 ein Grundstück für 143.950 Euro erworben und teilweise fremdfinanziert. 2019 übertrug er das Grundstück auf seine Tochter. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Grundstück einen Wert von 210.000 Euro. Die Tochter übernahm die am Übertragungstag bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 115.000 Euro.
Finanzamt: Aufteilung in entgeltlich und unentgeltlich
Das Finanzamt teilte den Vorgang (ausgehend vom Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung) in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil auf. Soweit das Grundstück unter Übernahme der Verbindlichkeiten entgeltlich übertragen worden war, besteuerte das Finanzamt den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft.
Hiergegen klagte der Vater vor dem Finanzgericht (FG) Niedersachsen und bekam Recht. Die Begründung: Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unterhalb der historischen Anschaffungskosten sind keine Veräußerungen (im Sinne des § 23 EStG).
Höchste Instanz bestätigt Vorgehen des Finanzamts
Doch die Freude währte nicht lange, denn der BFH schloss sich der Ansicht des Finanzamts an.
-
Wird ein Wirtschaftsgut übertragen und werden damit zusammenhängende Verbindlichkeiten übernommen, liegt regelmäßig ein teilentgeltlicher Vorgang vor. In diesem Fall erfolgt eine Aufteilung in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil.
-
Wird das Grundstück innerhalb von zehn Jahren nach der Anschaffung übertragen, unterfällt der Vorgang hinsichtlich des entgeltlichen Teils als privates Veräußerungsgeschäft der Einkommensteuer.
Quelle | BFH, Urteil vom 11.3.2025, IX R 17/24
Verkehrsrecht
Fahrerflucht: Relative Fahruntüchtigkeit und nicht erheblich verminderte Schuldfähigkeit
Nimmt das Gericht eine relative Fahruntüchtigkeit an, müssen die Erwägungen zur sog. nicht erheblich verminderten Schuldfähigkeit dazu widerspruchsfrei sein. So hat es der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Mann floh anlässlich einer Verkehrskontrolle
Das Landgericht (LG) hatte den Mann u. a. wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt. Als ihn eine Polizeistreife einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterziehen wollte, hatte er dem Anhaltesignal keine Folge geleistet. Er war „mit hoher Geschwindigkeit“ vor dem ihn verfolgenden Streifenwagen durch mehrere Straßen geflüchtet.
Schließlich touchierte er während einer Kurvendurchfahrt ein geparktes Fahrzeug. Dieses wurde durch den Anprall gegen einen weiteren Pkw geschoben. Es entstand erheblicher Sachschaden.
Blutprobe: Alkohol und Drogen nachgewiesen
Trotz des von dem Mann bemerkten Unfallgeschehens sprang er aus dem noch rollenden Pkw und flüchtete zu Fuß. Die nacheilenden Polizeibeamten konnten ihn schließlich ergreifen. Eine ihm eineinhalb Stunden später entnommene Blutprobe wies eine BAK von 0,96 mg/g auf. Sie enthielt darüber hinaus 41 ng/ml Kokain und 882 ng/ml Benzoylecgonin (Kokain-Metabolit).
Steuerungsfähigkeit eingeschränkt?
Die Revision des Mannes war erfolgreich. Das LG hatte zwar ein „rauschbedingtes Fehlverhalten“ in der Reaktion des Mannes auf das Anhaltesignal gesehen. Diese Erwägung stehe aber in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu den Ausführungen, mit denen das LG seine Überzeugung von einer nicht erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit des Mannes begründet hat. Denn das LG habe die erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit u. a. damit begründet, dass es dem Mann auf seiner Flucht gelungen sei, zunächst mehrere Straßen mit hoher Geschwindigkeit zu passieren und wiederholt Abbiegevorgänge zu bewältigen, ohne die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren.
Auch dem Unfallgeschehen habe es die Eignung als Anzeichen für eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit abgesprochen, soweit der Mann danach noch in der Lage gewesen sei, aus dem rollenden Fahrzeug zu springen und zu Fuß zu flüchten.
Diese Ausführungen zur Steuerungsfähigkeit ließen sich nicht widerspruchsfrei mit der Erwägung der Strafkammer vereinbaren, wonach die Reaktion des Mannes auf das Anhaltesignal ein rauschbedingtes Fehlverhalten belege.
Quelle | BGH, Beschluss vom 4.12.2024, 4 StR 453/24
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Fernabsatzverträge: Fahrzeugkauf im Onlineshop: Fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung
Verlängert sich die dem Verbraucher gesetzlich eingeräumte 14-tägige Widerrufsfrist für Fernabsatzverträge, wenn der Verkäufer in seiner Widerrufsbelehrung seine Telefonnummer nicht angibt? Diese Frage hat das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschieden.
Kauf im Online-Shop über 62.000 Euro
Der Kläger hatte am 4.5.2022 über den Onlineshop der Beklagten ein Elektrofahrzeug zum Preis von rund 62.000 Euro erworben. Die Auslieferung des Fahrzeugs erfolgte am 20.12.2022. Am 14.8.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrags. Zu spät, entschied nun auch das OLG in zweiter Instanz und wies damit die Berufung des Klägers zurück.
Rechtlicher Hintergrund
Verbrauchern steht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: §§ 312 g Abs. 1, 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB) bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht zu. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage, im Normalfall beginnend ab Erhalt der Ware. Wird der Verbraucher jedoch nicht korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 BGB). Die Informationspflichten des Unternehmers ergeben sich aus dem Einführungsgesetz zum BGB (hier: Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB). Der Unternehmer kann die Informationspflichten auch durch die Verwendung einer Musterwiderrufsbelehrung erfüllen, die sich in der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB befindet.
Fehlende Telefonnummer ohne Auswirkungen
Hier hatte die Autohändlerin in ihrer selbst formulierten Widerrufsbelehrung, die sie dem Kläger übermittelte, keine Telefonnummer angegeben. Diese war jedoch auf der Internetseite der Beklagten zu finden. Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist geführt hat.
Widerruf eines Autokaufs wahrscheinlich eher schriftlich als per Telefon
Es entschied, dass die Widerrufsbelehrung auch ohne Angabe einer Telefonnummer den gesetzlichen Anforderungen genügt und sich die Widerrufsfrist daher nicht verlängert. Die Nichtangabe der Telefonnummer begründe bei einem Autokauf, der von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sei, nicht die Gefahr, dass der Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werde.
Ein typischer Kunde würde allein aus Beweiszwecken bei den hohen Summen eines Elektroautokaufs den Widerruf vernünftigerweise auf einem dauerhaften Datenträger (z.B. per E-Mail) übermitteln.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 7.11.2024, 14 U 95/24, PM 8/25 Quelle | Gesetz zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie, BGBl I 2022, S. 2730
Arbeitgeber: Minijob-Zentrale zum Urlaub in einem Minijob
Auch in einem Minijob gibt es bezahlten Urlaub. Doch in diesem Zusammenhang stellen sich viele Fragen: Wie viele freie Tage stehen einem Minijobber zu? Was gilt bei unregelmäßiger Arbeitszeit? Wie wirkt sich das Urlaubsgeld auf den Minijob aus? Diese und weitere Fragen hat die Minijob-Zentrale jüngst beantwortet.
So erläutert die Minijob-Zentrale beispielsweise, dass der Lohn während des Urlaubs weitergezahlt werden muss (Urlaubsentgelt). Das ist im Bundesurlaubsgesetz geregelt. Zusätzlich kann es Urlaubsgeld geben (als freiwillige Zahlung zum Urlaub).
Die Fragen und Antworten der Minijob-Zentrale erhalten Sie unter https://www.iww.de/s13121.
Quelle | Minijob-Zentrale vom 11.6.2025 „Urlaub im Minijob: Ihre Fragen – Wir antworten!
Berechnung der Verzugszinsen
Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2025 bis zum 31. Dezember 2025 beträgt 1,27 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,27 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 10,27 Prozent*
- für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 9,27 Prozent.
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze
Zeitraum | Zinssatz |
---|---|
01.01.2025 bis 30.06.2025 | 2,27 Prozent |
01.07.2024 bis 31.12.2024 | 3,37 Prozent |
01.01.2024 bis 30.06.2024 | 3,62 Prozent |
01.07.2023 bis 31.12.2023 | 3,12 Prozent |
01.01.2023 bis 30.06.2023 | 1,62 Prozent |
01.07.2022 bis 31.12.2022 | -0,88 Prozent |
01.01.2022 bis 30.06.2022 | -0,88 Prozent |
01.07.2021 bis 31.12.2021 | -0,88 Prozent |
01.01.2021 bis 30.06.2021 | -0,88 Prozent |
01.07.2020 bis 31.12.2020 | -0,88 Prozent |
01.01.2020 bis 30.06.2020 | -0,88 Prozent |
01.07.2019 bis 31.12.2019 | -0,88 Prozent |
01.01.2019 bis 30.06.2019 | -0,88 Prozent |
01.07.2018 bis 31.12.2018 | -0,88 Prozent |
01.01.2018 bis 30.06.2018 | -0,88 Prozent |
01.07.2017 bis 31.12.2017 | -0,88 Prozent |
01.01.2017 bis 30.06.2017 | -0,88 Prozent |
01.07.2016 bis 31.12.2016 | -0,88 Prozent |
01.01.2016 bis 30.06.2016 | -0,83 Prozent |
01.07.2015 bis 31.12.2015 | -0,83 Prozent |
01.01.2015 bis 30.06.2015 | -0,83 Prozent |
01.07.2014 bis 31.12.2014 | -0,73 Prozent |
01.01.2014 bis 30.06.2014 | -0,63 Prozent |
01.07.2013 bis 31.12.2013 | -0,38 Prozent |
01.01.2013 bis 30.06.2013 | -0,13 Prozent |
01.07.2012 bis 31.12.2012 | 0,12 Prozent |